Malen als Therapie

Malen als Therapie – Geflüchtete stellen im Rathaus aus

Norderstedt Gemalt hat Jamal schon in Damaskus. Mit seiner Flucht nach Deutschland vor gut einem Jahr verlor er viel – auch die Freude daran. „Samstags gibt es eine Malgruppe in unserer Unterkunft. Du bist doch ein Künstler – geh’ hin!“, drängten ihn Mitbewohner der ehemaligen Realschule Fadens Tannen. Zögernd tastete sich der 45-jährige Syrer an sein Talent heran. Was in den ersten Monaten entstand, mag er nicht zeigen. „Alles dunkel, grau und traurig – die Bilder offenbaren, wie es in mir aussah.“ Doch vor einigen Wochen entdeckte Jamal die Farben wieder. Landschaften mit leuchtend blauen Gebirgsseen und weitem Himmel schicken nun die Augen auf Reisen. Auch sein Innerstes leuchte wieder. „Ich schaue positiver in die Zukunft“, sagt der Werkzeugingenieur. „Malen ist Therapie“, versichert Helga Keßler. Zwar gebe sie Tipps und verrate Tricks, aber das freie Malen stehe im Vordergrund. „Und wenn einem von uns die Worte fehlen, kommunizieren wir über Stift und Pinsel“, fügt sie lachend hinzu. Die pensionierte Kunstlehrerin initiierte im Januar die offene Samstags-Malgruppe über den Kunstkreis Norderstedt e.V. und das Willkommen-Team. Viele Teilnehmer kommen regelmäßig, darunter eine fünfköpfige Familie aus Afghanistan. „Wir haben Spaß und lachen viel“, bekräftigt Dalia. Die Elfjährige tuscht, zeichnet und malt mit Begeisterung. „Rot ist meine Lieblingsfarbe“, versichert die kleine Irakerin und versetzt ihrem Selbstporträt einen knallroten Kussmund. In Erinnerung an ihre Heimat Afghanistan hat die zwölfjährige Arezoo aus Kabul eine Kamelkarawane gemalt – und die geht nun auf Reisen. Vom 20. November bis 1. Dezember werden rund 40 Arbeiten auf der Flurgalerie des Norderstedter Rathauses ausgestellt. Die Eröffnung im Beisein der Künstler findet am 20. November von 16 bis 18 Uhr statt.

Erschienen am 15.11.2016