Norderstedter Energieunternehmen setzt bei Suche nach Fachkräften auch auf ehemalige Flüchtlinge
Von Claudia Blume
Norderstedt Dalil Baker steht mit einem Akkuschrauber vor einem Schaltschrank, der zur neuen Notstromversorgung eines französischen Kernkraftwerks gehört. In Aleppo arbeitete er als Elektro-Installateur. Nach seiner Flucht vor drei Jahren fand der Syrer in Bergedorf ein neues Zuhause und bei „Hanseatic Power Solutions“ (HPS) in Norderstedt eine neue berufliche Heimat – seit April in Festanstellung. „Zehn Bewerbungen habe ich täglich geschrieben; von vielen Firmen kam nichts zurück. In zwei Betrieben arbeitete ich zur Probe, aber das war furchtbar. Die Kollegen ignorierten mich und sprachen nur Persisch, was ich nicht verstehe“, erinnert sich Dalil Baker. Als HSP-Personalchef Michael Grenz die Bewerbung auf den Tisch bekam, lud er den 31-Jährigen für ein Praktikum ein – und war begeistert. „Viele Geflüchtete haben deutsche Tugenden stärker verinnerlicht als mancher Deutscher“, weiß der Prokurist aus negativer Erfahrung mit anderen Bewerbern. Pünktlichkeit, Fleiß, Zuverlässigkeit, Ordnung – all das erfüllt Dalil Baker und zudem ein weiteres wichtiges Kriterium: Er spricht bereits gut Deutsch. „Anfangs habe ich mich geschämt nachzufragen, wenn ich nicht alles verstanden hatte“, sagt der Syrer, der täglich einen zweistündigen Anfahrtsweg in Kauf nimmt. Doch die Scheu nahmen ihm seine neuen Kollegen schnell; skeptische Blicke verschwanden. „Dalil ist ehrgeizig und wegen seiner ehrlichen, freundlichen Art sehr beliebt. Gleiches gilt für Taif Geridi. Seit einer Woche hat auch der Iraker einen festen Job in der HPS-Werkstatt. Als studierter Elektroingenieur ist er zwar überqualifiziert, „aber es ist wichtig, die Basis kennenzulernen“, sagt er. Nicht nur der 29-Jährige sieht seine Perspektive im Unternehmen, sondern auch Michael Grenz. „Unser Betrieb stellt die Notstromsicherung für Projekte in der ganzen Welt – für Flughäfen in Nigeria, Metro in Saudi-Arabien oder Moscheen in Mekka und Medina. Vor allem im arabischen Raum liegt der Wachstumsmarkt, in dem uns die neuen Mitarbeiter mit fachlichem und sprachlichem Know-how helfen können. Durch die entfallene Vorrangprüfung, nach der deutsche Bewerber bevorzugt werden mussten, stehen unserer Wirtschaft alle Türen offen, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken.“
Bundesweit unterstützen 150 Willkommenslotsen an verschiedenen Kammern die Unternehmen und Betriebe bei der Suche nach geeigneten Bewerbern, Planung und Durchführung von Praktika. Zuständig für den Kreis Segeberg sind Patrick Bareiter, IHK Lübeck, Telefon 0451/600 62 19, bareiter@ihk-luebeck.de und Birgit Wacker, Handwerkskammer Lübeck, Telefon 01590/4390523, bwacker@hwk-luebeck.de.
Erschienen am 8.11.2016