Von Ammersbek per Boot um die ganze Welt

Im Frühjahr ist Heiko Kröger selten zuhause in Ammersbek, sondern auf Mallorca. „Dort herrschen im März und April ideale Bedingungen für die ersten Trainingseinheiten der neuen Saison“, sagt der sonnengebräunte Blonde.

Doch nicht die Serpentinen des Tramontana-Gebirges interessieren ihn. Dort können sich getrost die Radsportler tummeln – Heiko Kröger zieht es aufs Wasser. Denn er ist leidenschaftlicher Segler und hat nahezu alles gewonnen, was es zu holen gibt. 16 Deutsche Meisterehren gehen auf sein Konto, neun Mal wurde er Weltmeister. Bei fünf Paralympics war er dabei und krönte seine Karriere im Jahr 2000 in Sydney mit der Goldmedaille; 2012 gab’s Silber in London. Weltweit ist kaum ein anderer Segler in der Bootsklasse 2.4mR so erfolgreich wie Heiko Kröger, dem von Geburt an der linke Unterarm fehlt. „Beeinträchtigt hat mich das nie, weder beim Spielen, noch beim Sport.“

Der Ausnahmeathlet wächst in Nordrhein-Westfalen auf; früh setzen ihn die segelbegeisterten Eltern in einen „Opti“, das kleinste Schulboot für Kinder. „Seitdem lässt mich die Faszination Segeln nicht mehr los“, sagt Heiko Kröger, „Technik, Trimm, Taktik, Strategie und Fitness machen den Sport so spannend. Zudem ist Segeln die einzige Sportart, in der Sportler mit und ohne Behinderung gemeinsam oder auf Augenhöhe gegeneinander antreten können – im Segelsport wird Inklusion gelebt.“ Zum BWL-Studium geht der junge Mann nach Kiel, in den Semesterferien mit Studienkollegen im „Laser“ aufs Wasser. Förde, Ostsee, Nordsee, Deutschland, Europa – „Hauptsache wilde Ritte mit Wind und Wellen“. 1997 kommt die Anfrage vom Deutschen Behindertensportverband, ob Kröger die deutschen Farben bei den Paralympics in Sydney vertreten wolle. „Ich musste ziemlich lange überlegen, denn mit ‚Versehrtensport’ hatte ich bisher nichts am Hut.“ Dennoch segelt der junge Familienvater die offenen Weltmeisterschaften mit, belegt den achten Platz von 116 Startern und gewinnt den Titel bei den behinderten Sportlern. „Das war der Paukenschlag – ich wollte mehr!“, erinnert sich der ehrgeizige Athlet.

Als Projektleiter für Inklusion im Sailing Team Germany und Mitglied im Segelkader kann er Beruf und Sport bestens verbinden. „Ich durfte einige der schönsten Ecken der Welt kennenlernen“, resümiert der 51-Jährige, „am besten hat mir Australien gefallen – Natur und Menschen sind überwältigend.“ In den Überseecontainer für das Wettkampfboot kam stets ein Fahrrad, mit dem der sportliche Kosmopolit zwischen Training und Regatten Land und Leute erkundete. Brasilien hat Kröger dagegen nicht in allerbester Erinnerung. Vergangenen Sommer wollte der Einhandsegler bei den Paralympics in Rio de Janeiro noch einmal Edelmetall abräumen – es wurde ein Desaster. „In der verdreckten Guanabara-Bucht hatte sich eine riesige Plastikplane unter meinem Boot verfangen und wirkte wie eine Handbremse“, ärgert sich Kröger noch heute. Es reichte nur für Platz sechs bei den vorerst letzten paralympischen Segelwettbewerben. „32 Nationen müssen im Weltverband für die Weiterführung der Disziplin stimmen, doch nur 27 haben dafür votiert – also ist Segeln aus dem Programm geflogen.“ Für den Vater von fünf Kindern im Alter zwischen zwei und 22 Jahren sind mit der Absage herbe Einschnitte verbunden. Die Spitzenförderung des Verbandes als auch die Prämien der Sporthilfe entfallen, mit der Auflösung des Sailing Teams ist er auch seinen Job los. Nun betreut Kröger als Freiberufler bundesweit Inklusionsprojekte und hält seiner Frau Katharina, die in Hamburg-Poppenbüttel eine Kinderzahnarztpraxis führt, den Rücken frei, kümmert sich um Nachwuchs, Hund und Haus, das die Familie vor fünf Jahren gebaut hat. „Dreimal pro Woche gehe ich weiterhin aufs Ruderergometer, um fit zu bleiben, Gartenarbeit tut das übrige“, sagt der 1,93-Mann lächelnd und gesteht, dass er gern näher am Wasser wohnen würde. Auf den Timmerhorner Teichen lässt sich leider nicht segeln... deshalb wäre Heiko Kröger lieber auf Mallorca.