Box-Training für Körper und Seele

Davide Mebrahtu hilft mit einem ehrenamtlichen Projekt Jugendlichen in schwierigen Situationen auf den Weg

 

Dieser Mann hat ein Händchen für Kopf und Seele: Kunden, die Davide Mebrahtu in seinem Volksdorfer Friseursalon in der Waldherrenallee besuchen, wissen, dass er sich nicht ohne Grund als „Stylist aus Leidenschaft“ bezeichnet. Herzlichkeit, Aufgeschlossenheit und individuelles Interesse sind nicht flüchtig, sondern vor allem eines: echt. Und dieselbe wertfreie Aufmerksamkeit bringt Davide Mebrahtu auch Jugendlichen und jungen Menschen entgegen, die er jede Woche als ehrenamtlicher Trainer eines außergewöhnlichen Projektes betreut.

Ob Stress in der Schule oder in der Familie, Suchterfahrungen oder Aggression – viele Menschen stoßen in ihrem jungen Leben auf Probleme und suchen einen Weg, um mit der Situation umzugehen oder sie zu bewältigen. „Auch ich war in so einer Lage und habe mir damals jemanden an meiner Seite gewünscht, der mir Zuwendung, Anteilnahme und Zeit für Gespräche gegeben hätte“, sagt der 38-Jährige rückblickend.

 

„Hier geht keiner k.o.“

 

Zusammen mit dem lizensierten Kampfsporttrainer Lars Poslednik, mit dem er zunächst privat arbeitete, rief er vor vier Jahren das kostenlose Projekt „Box dich frei“ ins Leben. „Wir sind kein typisches Box-Gym und hier geht auch keiner k.o.“, betont Davide Mebrahtu, „wer zu uns kommt, wird physisch und psychisch fit gemacht, erhält mentale Stärke und Wertschätzung. Jeder wird so angenommen, wie er ist – ungeachtet seiner Herkunft, seiner Kultur und seiner Konfession.“

Das Training findet an einem ungewöhnlichen Ort statt: in den Räumen der Dreieinigkeitskirche (TCC Freiraumkirche) in Rahlstedt. Mit der freikirchlichen Gemeinde ist Davide Mebrahtu seit langem eng verbunden – seine Frau Anja leitet dort seit zehn Jahren die Jugendarbeit. In ihr und in der Gemeinde fand er als orientierungsloser junger Mann Halt. „Wir sind ein Team von Christen aus allen Bereichen der Gesellschaft und leben christliche Werte wie Ehe und Familie. Vor allem sind wir eine fröhliche, tolerante Gemeinschaft – das drückt sich nicht nur moderner Musik im Gottesdienst aus, sondern auch in der Unterstützung für das Box-Projekt“, erklären beide.

 

Gemeinschaft statt Wettkampf

 

Und so sind Besucher nur kurz irritiert, wenn sie erstmals den Raum im ersten Stock einer ehemaligen Lagerhalle betreten und nur wenige Meter neben dem Stehpult für den Pastor die Sport-Ecke erblicken. Rund 80 Quadratmeter des großen Raumes sind mit dicken, roten Matten ausgelegt, von der Decke hängen robuste Boxsäcke.

Lili bandagiert gerade ihre Handgelenke, bevor sie die Boxhandschuhe anzieht. „’Box dich frei’ Ist ein ganz besonderes Training. Wir lernen viel über die richtige Technik beim Boxen, dennoch geht es hier nicht um Leistung und Wettkämpfe, sondern um Gemeinschaft. Nach der Stunde sitzen wir zusammen, reden und Davide gibt uns Worte mit auf den Weg, die einen berühren und stark machen“, sagt die 16-Jährige.

 

Anerkanntes Anti-Aggressions-Training

 

Die Teilnehmer sind in der Regel zwischen 13 und 30 Jahre, lernen sportlich als auch gesellschaftlich ein respektvolles Miteinander, Regeln aufzustellen und anzuwenden. Sie lernen sich Ziele zu stecken, sie zu erreichen und stärken dadurch ihr Selbstbewusstsein. „’Box dich frei’ dient auch als Anti-Aggressions-Training, als Trauma-Therapie und ist gelebte Integration“, betont das ehrenamtliche Trainer-Team. In den Zeiten des größten Flüchtlingszustroms kamen jede Woche bis zu 50 geflüchtete Menschen aus der gegenüber liegenden Erstaufnahmeeinrichtung im Bargkoppelweg zum Training. Viele Asylbewerber leben inzwischen nicht mehr in Rahlstedt, kommen dennoch regelmäßig.

 

Spenden und „Manager-Boxen“ finanzieren das Projekt

 

„Box dich frei“ finanziert sich durch Spenden als auch durch ein zweites Box-Projekt von Davide Mebrahtu und Lars Poslednik, das Manager körperlich fit macht und ihnen Sparringspartner bietet. Durch ihren Monatsbeitrag unterstützen die Teilnehmer das ehrenamtliche „Box dich frei“. Anfänger, Fortgeschrittene und Zuschauer sind eingeladen, bei beiden Projekten reinzuschnuppern.