Norderstedt Für vier Tage tauschten sechs Schüler des Lise-Meitner-Gymnasiums (LMG) die harte Schulbank gegen bequeme Sessel im Plenarsaal des Kieler Landtages. Zusammen mit 433 Jugendlichen zwischen 15 und 21 Jahren aus verschiedenen Bundesländern, darunter 150 Teilnehmer aus China, Ägypten, Spanien und der Türkei, nahmen sie am „Model United Nations“ teil. Das Planspiel wird seit zehn Jahren vorwiegend von Studenten organisiert und simuliert Gremien-Sitzungen der Vereinten Nationen.
Damit die Simulation der Realität möglichst nahekommt, schlüpfen die „Nachwuchspolitiker“ in die Rollen der Delegierten eines Landes oder einer Nicht-Regierungsorganisation wie etwa Amnesty International und vertreten deren Interessen wortgewandt mit diplomatischem Geschick. „Einem Dresscode entsprechend mussten wir in Anzug, Kleid oder Rock erscheinen. Das gab dem Ganzen einen offiziellen Rahmen und erleichterte den Teilnehmern, die politischen Persönlichkeiten darzustellen“, erzählt Finn Luca.
Der 16-jährige Elftklässler repräsentierte zusammen mit Kjell Kuba, Amelie und Bennet hatten sich im Online-Bewerbungsverfahren für Katar entschieden und Celina und Nina für den Tschad. „Im Vorwege war eine Menge Recherche nötig, um herauszufinden, wie dort die politischen Köpfe ticken. Im Fall des Tschads war es schwierig, da es nur wenig offizielle Informationen gibt“, sagt Nina.
Zwischen neun und 20 Uhr ging es in Kiel um Petitionen, Positionspapiere und Resolutionen. „Oft hatte ich den Eindruck, dass wir überhaupt nicht vorankommen. Ständig wurden die Debatten durch Eingaben unterbrochen“, berichtet Amelie (15). Dass Politik ein zähes Geschäft ist, lernten die Schüler hautnah kennen. Auch, dass Interessen von 193 Nationen nicht einfach unter einen Hut zu bekommen sind, zumal wenn es um brisante Themen wie Menschenrechte geht.
„Das Planspiel gleicht einem Crashkurs in Sachen Politik und fördert zudem soziale Kompetenzen“, betont Stefanie Lemke, WiPo-Lehrerin am LMG und Koordinatorin des Projektes, „wer vor dem Plenum eine dreiminütige Rede halten kann, für den ist ein Schulreferat in Zukunft ein Klacks.“
„Es ist spannend, mit geschickten Formulierungen in den Anträgen die Interessen ‚seines’ Staates der Allgemeinheit unterschieben zu können“, sagt Bennet, der für Katar in Kiel war. Ihn reizte es, in die radikale Ideologie des Wüstenstaates einzutauchen, „gegen den Strom zu schwimmen ist deutlich interessanter als der europäische Mainstream.“
„Alle waren im Politikfieber – sogar beim Essen wurde weiterdebattiert“, berichtet Kjell, „ohnehin fanden Absprachen in persönlichen Gesprächen außerhalb der Gremien statt.“
Die meisten Jungpolitiker waren ernsthaft bei der Sache, doch als Rapper Snoop Dogg per Petition als Gastredner eingeladen werden sollte, war offensichtlich die Luft raus. Nach einem rauschenden Diplomatenball ging es für alle wieder zurück auf die Schulbank.