Die Geschichten suchen sich ihren Weg

Ohne Stift und Block geht Antje Steffen nicht aus dem Haus. Auch beim Walken im Rader Wald sind sie immer dabei. „In der Natur habe ich die besten Ideen für meine Erzählungen“, sagt die 48-Jährige. Seit zwölf Jahren veröffentlicht sie Kunterbuntgeschichten, Romane und Haiku-Bücher im Selbstverlag und über Online-Händler. Allerdings nicht, um berühmt oder reich zu werden, sondern ganz uneigennützig. „Die Figuren und ihre Erlebnisse sind in meinem Kopf und wollen unbedingt raus – dagegen kann ich mich gar nicht wehren. Und wenn sie anderen gefallen, ist es umso schöner“, erklärt Antje Steffen augenzwinkernd.

Schon als Dreijährige dachte sich die gebürtige Kielerin Geschichten aus. Später als Sekretärin auf einer Werft ging die „Schreiberitis“ richtig los. „In der obersten Schreibtischschublade ‚lagerten’ angefangene Skripte und warteten geduldig auf Wiedervorlage bei Büroleerlauf.“ Am Wasser ging die Fördefrau ihrem Mann Lutz, einem Marine-Offizier, ins Netz. Er zog mit ihr nach Rade, in sein Tangstedter Elternhaus direkt am Waldesrand. „Statt Möwengeschrei im Ohr musste ich mich an Meisengepiepse und Kranichgeschrei gewöhnen. Das fiel mir anfangs schwer, doch nach 19 Jahren habe ich die Vorzüge lieben gelernt. Vor allem der Duvenstedter Brook gefällt mir in der Abendstimmung besonders gut.“

Ein Fernstudium an der „Schule des Schreibens“ gab Antje Steffen neue Impulse für ihr Hobby, „auch wenn ich an einigen Aufgaben fast verzweifelt bin.“ Doch der zunächst ungeliebte Kurz-Krimi entpuppte sich als faszinierendes Genre, an dem die Autorin Gefallen fand. Weil sie die Herausforderung liebt, nimmt Antje Steffen an Schreibwettbewerben diverser Verlage teil. Mit Erfolg: Ihre Texte wurden bereits in über 100 Anthologien veröffentlicht. Als Lohn gibt es Belegexemplare – keine Tantiemen. Aber egal, Hauptsache, ihre Erzählungen begeistern andere.

Auf diesem Weg bahnte sich auch „Snowy, der Weihnachtsschneemann“ seinen Weg ins Leben. Inzwischen hat sich die Figur sogar mit einem eigenen Buch selbständig gemacht. Gleiches gilt für „Brauni, der Lebkuchenmann“, den es vergangenen Sommer bei 30 Grad im häuslichen Garten über den besagten Block und ein Laptop in die Öffentlichkeit zog.

Kurz und knackig ist die Devise von Antje Steffen. Maximal fünf bis zehn Seiten umfassen ihre Geschichten. Doch es geht noch kürzer: Ihre Leidenschaft gilt den Haikus, japanischen Dreizeilern, die sich zwar nicht reimen, aber individuelle Interpretation zulassen. „Einer besonderen Aufgabe, der ich mich mit anderen Hobby-Schriftstellern in Internetforen stelle, sind 100-Wort-Geschichten, bei denen jedes einzelne Wort bewusst gewählt werden muss“, erzählt die Buchstabenakrobatin.

Und was ist aus den „Werft-Manuskripten“ geworden? Mit Akribie überarbeitet erschien 2016 der Roman-Erstling „Summer“, ein Jahr später folgte „Hör auf die Musik, Carrie!“ und vor wenigen Wochen wurde „Was sagt dein Herz, Allysson?“ veröffentlicht – alle drei Romane liefern mit jeweils über 100 Seiten reichlich Stoff zum Schmökern.

Kaum ist das eine Projekt abgeschlossen, hat Antje Steffen schon das nächste im Kopf – Kreativitätsmangel, Fehlanzeige: „Die Story spielt in Hamburg und Australien, doch was die Figuren vorhaben, weiß ich noch nicht genau. Ihre Charaktere geben die Richtung vor, und wenn sie die ändern, ist das auch in Ordnung – ich lasse mich gerne überraschen, sie finden ihren Weg.“