Segeberg In seinem Heimatland Iran war Mehdi Azimi Aref ein Star der Kunstszene, mit eigener Galerie und Dozent für Keramik-Workshops. Firmenbosse und Hotelchefs, Stadtobere und Mäzene gaben gerne Arbeiten bei ihm in Auftrag. So schmücken großformatige, detailreiche Ton-Reliefs mit figürlichen sowie abstrakten Motiven diverse Gebäudelobbys in großen Städten, U-Bahnstationen und sogar den Teheraner Zoo.
Seit eineinhalb Jahren lebt Mehdi Azimi Aref in der Nähe von Bad Segeberg. Geflüchtet vor der iranischen Polizei, die ihn wegen Unterstützung verbotener christlicher Hauskirchen verfolgte, und der eigenen muslimischen Familie, die seine Beziehung zur Christin Sarah nicht akzeptieren wollte. Der Vater verriet seinen eigenen Sohn, doch wenige Minuten vor der geplanten Festnahme erfuhr Mehdi von der geplanten Aktion und konnte mit Sarah in die Türkei entkommen. Über Griechenland und Österreich reisend landeten sie erst in Neumünster, dann in Neversdorf.
„Wir fingen sofort an auf eigene Faust Deutsch zu lernen, vor allem per YouTube, und engagierten uns, um Teil der Dorfgemeinschaft zu werden“, schildert der 35-Jährige den Neustart in Deutschland. Wenig später stellte eine engagierte Flüchtlingshelferin aus Bebensee dem Paar Wohnraum auf ihrem Grundstück zur Verfügung – mit einem großen Kellerraum als Arbeitsraum und Atelier.
Das Talent des jungen Iraners blieb auch in der Segeberger Kunstszene nicht unentdeckt. Die KulturAkademie (VJKA) verpflichtete Mehdi erstmals Anfang des Jahres als Dozent für eine offene Workshop-Reihe. Im Herbst soll das Engagement eine Neuauflage erhalten.
Auch Sarah, mittlerweile Mehdis Ehefrau, hat vom selben Träger einen künstlerischen Auftrag bekommen. Die studierte Innenarchitektin gestaltet einen renovierungsbedürftigen Raum zum neuen Theatersalon um.
„Wir sind sehr dankbar, dass so viel Vertrauen in uns und unsere Arbeit gesetzt wird. Das macht unsere Integration viel leichter und wir können einiges an Knowhow und Kreativität weitergeben“, konstatieren die beiden Iraner in nahezu perfekten Deutsch.
Auch Professor Asmus Hintz hörte von dem Künstlerpaar und hatte sofort die Idee für eine Zusammenarbeit. Vor einem Jahr gründete der Segeberger den Förderverein der Marienkirche. Die mit 860 Jahren älteste Backsteinkirche Nordeuropas ist stark sanierungsbedürftig; entsprechende Arbeiten brauchen dringend finanzielle Unterstützung. „Wir benötigen etwa 1,6 Millionen Euro, um allein das Mauerwerk des einzigartigen Kulturdenkmals auf Vordermann zu bringen“, sagt der Dozent für Kultur- und Medienmanagement.
Mit Hilfe von Mehdi Azimi Aref kreierte er mit sogenannten „Mariensteinen“ einen Spendenbeleg der besonderen Art. Die gut 20 cm-großen Tonziegel tragen das Akanthusblatt, ein antikes Schmuckornament, das sowohl an den Säulen im Kircheninneren als auch im Logo des Fördervereins zu finden ist. Die „Spendensteine“ gibt es je nach Spendenhöhe in acht verschiedenen Ausführungen von natur-matt (25 Euro) bis zur Goldglasur (150 Euro). „Zusätzlich kann der Marienstein mit einem Namen graviert werden und eignet sich daher hervorragend als außergewöhnliches Geschenk“, wirbt Professor Hintz.
Im Bebenseer Atelier sind derweil in Handarbeit die ersten Mariensteine entstanden. „Das richtige Material zu finden, war nicht leicht, da sich der Ton sehr von dem im Iran unterscheidet. Ich musste viel experimentieren, um Feinheiten des Ornamentes modellieren zu können“, erzählt der Keramik-Perfektionist. Mehdi ist sehr kritisch mit seinen Arbeiten, was nicht 100-prozentig gelingt, landet als unförmiger Tonklumpen erneut auf der Arbeitsplatte.
Ideen für Reliefs, Skulpturen und Gefäße kommen ihm während der Bearbeitung. „Ich arbeite ohne Skizzen, sondern inspirativ“, so der Künstler. Gesichter, Figuren, Pferdeköpfe mit wallenden Mähnen – alles wächst scheinbar spielerisch aus dem Ton.
Schweren Herzens musst Mehdi nahezu alle Kunstwerke im Iran lassen. Auf der Flucht konnte er nur wenig Gepäck mitnehmen. Was bleibt, sind Bilder auf dem Handy und die Gewissheit, dass die meisten Schätze in Sicherheit sind – im Keller der iranischen Schwiegermutter.
Beim Segeberger Stadtfest am 1. und 2. September wird Mehdi Azimi Aref auf dem Kirchplatz Mariensteine bearbeiten und individuelle Wünsche für Gravuren entgegennehmen.
Anlässlich der Segeberger Kulturtage stellt der iranische Künstler am 14. und 15. September in der Norderstedter „TriBühne“ einige seiner Keramik-Arbeiten aus.