Konzentriert und gewissenhaft bedient Abdulrahim Alhindawi die Flexafit-Maschine, mit der Schläuche für die Flugzeug- und Automobilindustrie hergestellt werden. „Hier ist präzises Arbeiten gefragt, denn viele Produkte sind Sonderanfertigungen“, betont der junge Syrer, der bei Matzen & Timm am Nordportbogen beruflich seine neue Heimat gefunden hat. Der Weg dorthin allerdings ist ungewöhnlich.
Gut gefüllte Auftragsbücher ließen den Leichtbauspezialisten der weltweit tätigen Masterflex Group vergangenen Herbst neue Mitarbeiter für den Produktionsbereich suchen. „Wir wollten bei der Rekrutierung auch geflüchteten Menschen eine Chance bieten“, sagt Geschäftsführer Dirk Baumann. Die Norderstedter suchten nach einem erfahrenen Partner und fanden ihn in der Hamburger Personalberatung zwei P:Personal gGmbH. Die Tochter der Stiftung Berufliche Bildung hat zum Ziel, benachteiligten Menschen, ausdrücklich auch Flüchtlingen, den (Wieder-)Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Aus fast 300 potentiellen Kandidaten wurden 40 ausgewählt, um auf einer Art Hausmesse Unternehmen, Produktion und Arbeitsweise kennenzulernen. Zehn interessierte Bewerber absolvierten im Anschluss ein 14-tägiges Praktikum. Acht von ihnen erhielten im November 2017 einen Arbeitsvertrag – darunter auch Abdulrahim Alhindawi.
Das Besondere an dem Projekt war der integrierte Sprach- und Fachunterricht, der den Männern aus Syrien, Eritrea, Afghanistan, Mazedonien, Albanien und dem Iran neben Deutsch auch produktspezifisches Fachwissen vermittelte. Und das während deren regulärer Arbeitszeit und in den Räumen von Matzen & Timm.
„Wir konnten den Unterricht auf die Schichtpläne abstimmen, lange Wege zu Deutschkursen und somit Arbeitsausfall vermeiden. Integration muss zeitgleich über Sprache und Arbeit erfolgen“, bekräftigt Dirk Baumann.
Ende April lief das innovative Projekt aus und der Geschäftsführer zeigt sich hoch zufrieden. „Wir hatten keine Garantien, dass sich unser Investment auszahlen würde, doch alle neuen Mitarbeiter haben unser Vertrauen erfüllt. Sie zeigen ein hohes Engagement, sind zuverlässig, pünktlich und in den Teams beliebt. Durch ihre Produktivität konnten wir die Kundenzufriedenheit steigern, den Auftragsdruck abfedern und neue Projekte schneller an den Markt bringen. Bei Bedarf würde ich denselben Weg wieder einschlagen – alle Beteiligten haben auf ganzer Linie gewonnen.“
Auch Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) machen Mut: Rund jeder fünfte Flüchtling sei sozialversicherungspflichtig beschäftigt, hieß es im Mai 2018.
Abdulrahim Alhindawi fühlt sich wohl an seinem Arbeitsplatz. „Die Kollegen sind nett, die Arbeit erfüllt mich mit Stolz und ich habe wieder eine Perspektive für mein Leben“, sagt der 33-Jährige. In Syrien studierte er an der Fachhochschule für Metalltechnik und arbeitete auf seinem Weg nach Norderstedt über den Libanon, Ägypten und der Türkei zeitweilig als Fräser, „doch dort wurde ich nur ausgenutzt, es gab nur wenig Geld und keinen Urlaub.“
Jetzt, nachdem der sportliche, junge Mann, der zur Entspannung gerne um den Stadtparksee joggt, beruflich Fuß gefasst hat, steht eine eigene Wohnung ganz oben auf seiner Wunschliste. Und: „Ich würde mich über einen Sprachpaten freuen, um mein Deutsch weiter verbessern zu können.“