Das Klassentreffen der Uhrmachermeister

Norderstedt In ihrem Berufsleben dreht sich alles um Krone, Federhaus, Ankerhemmung und Unruh. Beim Uhrenvergleich im Tafelraum der „Hopfenliebe“ lässt sich keiner lumpen: ein Schmuckstück schöner und wertvoller als das andere, viel Gold, viel Rolex, viel Stil. Kein Wunder, die Herren sind vom Fach – acht gestandene Uhrmachermeister um Erika Ilschner, die ihre ehemaligen Mitschüler der Berufsschule nach 55 Jahren (!) zusammengetrommelt hat.

Ilschners Juweliergeschäft in der Ulzburger Straße war bis zur Schließung 2015 eine Institution in Norderstedt, nicht nur Ex-Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote ein oft gesehener Kunde. Eigentlich wollte die junge Erika Journalistin werden, folgte jedoch dem Wunsch ihres Vaters und lernte die Uhrmacherei, um später den Familienbetrieb zu übernehmen. In der Klasse UH 0 (steht für Lehrbeginn 1960) der staatlichen Uhrmacherfachschule Hamburg-Altona – der einzigen Institution im Norddeutschland und daher mit Internat – war sie das einzige Mädchen unter 21 Schülern. „Ich habe mich immer besser mit Jungs verstanden, das gab mir Ansporn“, erzählt die ehemalige Klassensprecherin. Einen Mädchenbonus gab es nicht, nur auf Klassenreise nach Heidelberg musste die Frau des Klassenlehrers Thomas Beckmann als „Anstandsdame“ mit.

Die beiden Hamburger sind nach Norderstedt gekommen, ebenso wie Mathelehrer Walter Fahle, der trotz stattlicher 93 Jahre aus Berlin anreiste. Stolz sei er auf seine Schüler, die es alle neben den Meisterehren zu etwas gebracht hätten. Wie zum Beispiel Gerhard Wilde.

Der gebürtige Rendsburger stammt aus einer Uhrmacher-Dynastie und brachte sogar wertvolle Uhren von Zar Peter des Großen wieder in Takt, der selber ein Faible für das Handwerk hatte und selber Uhren fertigte. „Mit einer Gruppe ausgewählter Spezialisten habe ich mich einige Jahre um historische Zeitmesser in den Museen St. Petersburgs gekümmert, da es vor Ort weder Knowhow noch Werkzeug oder Material gab. Die Uhren standen seit langem still und ließen sich nicht mehr aufziehen. Wir haben sie wieder flott gemacht,“, berichtet der 75-Jährige, der in Goslar eine Meisterwerkstatt führt.

Auch Norbert Kuhn hatte das eine oder andere kostbare Chronometer auf dem Tisch. Einen bleibenden Eindruck machte die goldene Armbanduhr einer Prinzessin. „Die Dame hatte augenscheinlich umfangreiche Gartenarbeit geleistet, so erdverkrustet wie die teure Uhr aussah, die ich einer umfangreichen Grundreinigung unterziehen musste“, erinnert sich der Barsbüttler.

Uhren seien längst keine Statussymbole mehr, so Kuhn. „Ganz ehrlich, kein Mensch braucht heutzutage eine Uhr – Zeitinformation liefern digitale Medien wie Smartphones.“ Gerhard Filitz pflichtet seinem Kollegen bei: „Uhren sind zum Mode-Accessoire geworden und werden beliebig zur Kleidung gewechselt. Dennoch haben sie eine eigene Währung. Im Ernstfall kann man ein exquisites Stück zu Geld machen, sich davon eine Hotelübernachtung leisten und das Rückfahrtticket mit der Bahn ist auch noch drin.“ Gerhard Filitz schwört auf Rolex, den „Mercedes unter den Armbanduhren“, Handaufzug, beste Schweizer Wertarbeit. Dorthin zog es den jungen Uhrmacher nach dem Schulabschluss 1963; in Zürich führt er bis heute eine Fachwerkstatt, ist spezialisiert auf antike Großuhren aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

„Alle Uhren, die ihren Besitzern als Wertanlage oder persönlich etwas bedeuten, brauchen Pflege und Wartung. Daher wird es immer Uhrmacher geben“, resümiert Wolfgang Beck, der in 36 Berufsjahren rund 15000 Zeitmesser aller Art repariert hat.

Und so werden sich die ehemaligen Uhrmacherlehrlinge 2020 wieder treffen, „dann feiern wird 60. Jubiläum unseres Ausbildungsbeginns“, kündigt Organisatorin Erika Ilschner an – elf Zusagen hat sie schon.