Der Wald ist in Gefahr

An manchen Stellen des Tangstedter Forstes bietet sich ein trauriges Bild: Große Mengen toter Äste ragen aus wildem Gestrüpp heraus, am Wegesrand liegen Dutzende gefällter Bäume. „Ich bin oft zum Laufen und mit meiner Enkelin im Forst unterwegs und habe mich über das ‚Chaos‘ geärgert“, gibt Uwe Horn-von Cube unumwunden zu. Als er von dem Angebot des Duvenstedter Kreisels laß, mit Förster Sebastian Bohne einen Waldspaziergang der besonderen Art zu machen, sagte er sofort zu. Wie der Tangstedter nutzten 20 Erwachsene und Kinder die Gelegenheit, um Informationen aus erster Hand zu erhalten.

„Im vergangenen Herbst haben wir gravierende Schäden durch den Borkenkäfer hinnehmen müssen“, erklärte der 36-Jährige, der sich seit sechs Jahren um zehn Waldorte in Schleswig-Holstein, darunter auch den 300 Hektar großen Tangstedter Forst, kümmert. Buchdrucker und Kupferstecher heißen die gut ein bis knapp sechs Millimeter kleinen Schädlingsarten, die es ausnahmslos auf Fichten abgesehen haben und sie mit Hundertausenden zur Strecke bringen. Schon die Temperaturen im heißen Sommer 2018 und die Dürre machten den Nadelbäumen zu schaffen – eine Steilvorlage für den Borkenkäfer. Während sich gesunde Bäume durch Harzproduktion gegen Eindringlinge wehren, sind ihnen geschwächte Exemplare schutzlos ausgeliefert – erst recht, wenn die Käfer die lebensnotwendigen Saftbahnen durchtrennen. „So konnten bis zu drei Generationen Borkenkäfer heranwachsen, die nach dem Ausfliegen massenhaft weitere und auch gesunde Bäume befielen, um wiederum für Nachwuchs zu sorgen“, weiß Sebastian Bohne.

Um die Katastrophe einzudämmen, müssen kranke Bäume gefällt und umgehend aus dem Wald geschafft werden. Außerdem kommen erstmals Chemie-Fallen zum Einsatz. Eine Ampulle mit Pheromonen lockt männliche Borkenkäfer zu sogenannten Tripod-Netzen, die mit einem Insektizid getränkt sind. Kommen die Käfer damit in Kontakt, verenden sie nach kurzer Zeit. Natürliche Feinde haben sie kaum. Ameisenbuntkäfer und Spechte können der Invasion nicht Herr werden. Zumal das Desaster menschengemacht ist, schließlich wurde seit langem auf Nadelbäume gesetzt. Bis 1860 war der Tangstedter Forst eine Heidefläche, die als Wirtschaftsfläche mit schnell wachsenden, ertragreichen Fichten bepflanzt wurde. Zudem führten die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg Reparationsschläge durch, deren Lücken wiederum mit Fichten aufgeforstet wurden. „Die gehören jedoch gar nicht hierher. Sie stammen aus Skandinavien und brauchen Kälte, um mit Schädlingen klarzukommen“, erklärte der Forstingenieur.

„In der Folge muss und wird sich der Wald verändern, der Anteil der Fichten im Vergleich zu anderen Baumarten kleiner werden – weg von Nadelwald-Monokulturen, hin zum Mischwald. Schon jetzt bestehen unsere Nachpflanzungen etwa aus heimischen Buchen und robusten Douglasien, die besser mit Klimaveränderungen klarkommen.“ Wer genau hinschaue, könne in dem vermeintlichen „Chaos“ junge Laubbäume erkennen, die die Zukunft eines intakten Forstes bilden. Ob es sich dabei um eine Verschlechterung oder eine Verbesserung des Status handele, läge im Auge des Betrachters. „Wirtschaftlich gesehen, ist es eine negative Veränderung, da Fichtenholz einer der effektivsten Holzrohstoffe ist. Aus ökologischer Sicht jedoch sind Laubbäume als CO2-Speicher 20-mal wertvoller und sie bieten neue Lebensräume für eine größere Artenvielfalt“, so Sebastian Bohne.

Zum Abschluss der dreistündigen Wanderung lud Kreisel-Herausgeber Thomas Staub zu Butterkuchen und Kaffee ein. „Die Tour war interessant und informativ. Ich habe viel über die Abläufe im Forst und die Arbeit eines Försters erfahren“, resümierte Iris Puppe und Reiner Münch ergänzte: „Zudem konnten wir den ominösen Borkenkäfer sogar ‚live‘ erleben und das Geheimnis der Baummarkierungen lüften.“