Wohldorf Kurz vor dem dritten Advent stehen Thomas und Freya Rilinger fassungslos auf dem Waldfriedhof Wohldorf. Direkt an der Kante der Ruhestätte ihres Sohnes sieht es aus, als ob ein tonnenschwerer Bautrupp durchgezogen wäre. Tiefe Furchen haben den schmalen Weg aufgerissen; auf zehn Zentimeter Tiefe ist das Erdreich von einem großen Raupenfahrzeug zerwühlt worden. Überall auf den mit Tannenzweigen abgedeckten Grabstätten liegt eine dicke Schicht Holzspäne. Von „idyllischer Atmosphäre“, wie auf der Homepage des Friedhofs angepriesen, keine Spur.
Der Borkenkäfer sei schuld, heißt es von der Friedhofsverwaltung, der habe massenhaft Fichten auf dem Gelände angegriffen und nun müssten 60 bis 70 Nadelbäume gefällt werden, um die weitere Ausbreitung des gefräßigen und gefährlichen Schädlings zu verhindern.
„Selbstverständlich haben wir Verständnis für die nötigen Arbeiten, aber hätten die nicht verlegt werden können, statt sie so kurz vor Weihnachten stattfinden zu lassen? Das ist pietätlos, unsensibel und gedankenlos“, sagt Thomas Rilinger. Drei Mal pro Woche besucht der 63-Jährige mit seiner Frau den verstorbenen Sohn – seit zehn Jahren. Die Ruhestätte ist immer geschmückt mit Blumen, einem Buddha und vielen kleinen Engelfiguren, zu denen sich in der Adventszeit Weihnachtsmänner und Rentiere gesellen – „die ich alle mühselig mit dem Handfeger von den Sägespänen befreien musste“, erzählt Freya Rilinger vorwurfsvoll und fügt hinzu: „Es sieht hier aus wie auf einer Baustelle und nicht wie auf einem Friedhof, auf dem man seinen Lieben nahe sein kann.“
Von den Friedhofsmitarbeitern erwartet die 65-Jährige Rücksicht, Sorgfalt und Fingerspitzengefühl – nicht nur was die gärtnerischen Arbeiten angehe, sondern auch den Umgang mit ihnen persönlich. „Wir haben mehrmals per E-Mail auf Missstände hingewiesen, eine Antwort kam jedoch nie“, beschwert sich Thomas Rilinger.
Die kommt nun von Lutz Rehkopf aus der Unternehmens-Pressestelle Hamburger Friedhöfe, das die Parkfriedhöfe Ohlsdorf und Öjendorf, sowie die Waldfriedhöfe Volksdorf und Wohldorf betreibt. „Wir bedauern die aktuellen Fällarbeiten, die sich jedoch notwendig sind. Anfang Dezember ist gemeinhin die Saison für die meisten Besucher der Friedhöfe vorbei. Daher bitten wir sie um Verständnis, denn wir können nicht allen Ansprüchen gerecht werden. Aus Kostengründen konnten keine Stahlplattenabdeckung für die Wege verwendet werden. Zudem müssen wir Kompromisse hinsichtlich Ressourcen und Zeit machen; unser Personal und die Maschinen sind schließlich auf vier Friedhöfen im Einsatz.“
Vor Weihnachten sollen alle Fäll- und Rodungsarbeiten beendet sein und die Wege wieder hergerichtet sein. Borkenkäfer resistente Nachpflanzungen folgen im kommenden Frühjahr, damit der Waldfriedhof Wohldorf seinem Namen gerecht wird.