Rund 300 illustre Gäste tummelten sich in Jensens Lagerhaus in Borgfelde. Sie nippten an Champagnergläsern und griffen gut gelaunt beim angebotenen Fingerfood zu. Man kannte sich, schlenderte an ausgestellten Bildern und Gemälden vorbei. Mancher blieb interessiert stehen, notierte eine Zahl im Katalog – bis zum Platznehmen gebeten wurde. Mit eindringlichen Worten richtete sich Dr. Frank Husemann ans Publikum: „Ich muss dabei zusehen, wie mein Sohn langsam stirbt und kann mir nichts Schlimmeres vorstellen. Helfen Sie uns, anderen Kindern und Familien dieses Schicksal zu ersparen.“ Schlagartig wurde klar: Das ist keine x-beliebige Kunstauktion. Hier geht es um mehr – um soziales Engagement, das die Welt verändern kann.
Es wurde mucksmäuschenstill in der stylischen Eventhalle, als der Gründer der NCL-Stiftung und Träger des Bundesverdienstkreuzes von seinem Kampf gegen bisher unheilbare Kinderdemenz berichtete. Neuronale Ceroid Lipofuszinose (NCL), eine genetisch bedingte Stoffwechselerkrankung, wurde im Alter von sechs Jahren bei seinem Sohn Tim diagnostiziert. Eine tückische Krankheit, die früh zum Tod führt, mit einem langem Leidensweg, Erblindung sowie dem Verlust von Sprache, motorischen und geistigen Fähigkeiten einhergeht und wegen ihrer Seltenheit von der Pharmaindustrie kaum erforscht wird. In Deutschland sind rund 700 Kinder und Jugendliche betroffen, weltweit gibt es etwa 70000 junge Patienten.
Und hier kamen die Kunstinteressierten ins Spiel, denn seit 17 Jahren sammelt die NCL-Stiftung auf Charity-Events wie der Benefiz-Kunstauktion „LebensKünstler“ Spenden, um Forschungsprojekte, Medikamentenentwicklung und die Vernetzung von Wissenschaftlern weltweit voranzutreiben. Künstler wie Udo Lindenberg, Armin Mueller-Stahl und Tomaso Baldessarini spendeten bereits ihre Werke für den guten Zweck. Der Auktionserlös fließt zu 100 Prozent in die NCL-Stiftung.
Bereits zum fünften Mal war Chris Gust aus Henstedt-Ulzburg mit von der Partie. Die 46-Jährige Malerin stellte aus ihrer Serie „colours of SOUL of colours“ ein auffälliges Porträt von Dagmar Berghoff zur Verfügung. „Ich bin glücklicherweise Mutter von drei gesunden Kindern und unterstütze daher mit ganzem Herzen die Projekte der NCL-Stiftung“, sagte Chris Gust, die jahrelang unter Angst- und Panikattacken litt und Therapie im Malen fand. In dem von ihr gegründeten Verein „Mutruf“, einem ehrenamtlichen Telefondienst, bieten ehemals Betroffene akuten Paniklern mit Wissen, Erfahrungen eine verständnisvolle Gesprächsmöglichkeit. Soziales Engagement ist Chris Gust wichtig, entsprechend sucht sie auch Persönlichkeiten, die sie malt, nach deren Wirken aus. Wie „Mrs. Tagesschau“ Dagmar Berghoff, die sich seit langem für das Kinderhilfswerk „terres des hommes“ einsetzt und bereits einige Bilder zugunsten der NCL-Stiftung ersteigerte. Die 77-Jährige ließ es sich nicht nehmen, vor der diesjährigen Auktion das Werk im Blitzlichtgewitter der Fotografen zu signieren.
41 Gemälde, Fotografien und Objekte kamen in Borgfelde unter den Hammer. Launig moderierte Initiatorin Birgit Saatrübe-Möllers den Abend und Auktionatorin Eva-Maria Uebach-Kendzia versicherte fröhlich: „Kunst macht glücklich!“ Anfangs waren die gutbetuchten Gäste noch etwas zögerlich, doch nach und nach kamen sie in Bieterlaune. Dazu trug sicherlich auch das aufmerksame Catering-Team bei, das eifrig Wein ausschenkte und Leckereien als „Flying Buffet“ reichte. Immer rascher schnellten die Gebote in die Höhe. Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten – die Auktionatorin ließ den Hammer fallen und wünschte den neuen Besitzern: „Glück damit!“
(An-)Gespannt verfolgte TV-Legende Dagmar Berghoff das Geschehen in erster Reihe neben Tagesschau-Kollegin Susanne Daubner und Schauspielerin Saskia Fischer. „Ob überhaupt jemand ein Porträt von mir haben will?“, hatte sie zu Beginn geunkt. Zu Unrecht, denn das farbenprächtige Werk brachte 550 Euro. Das höchste Gebot erzielte mit 4200 Euro ein abstraktes Bild des Senkrechtstarters auf dem Kunstmarkt, Paul Schrader. „Der Abend war wieder ein großer Erfolg. Es sind sensationelle 45000 Euro zusammengekommen, mit denen ein weiteres Forschungsprojekt finanziert werden kann“, resümierte Birgit Saatrübe-Möllers glücklich.
Ein Baustein mehr, um Kinderleben von morgen zu retten und die die Therapierung weiter vorantreiben zu können. Und es gibt erste Erfolge zu vermelden: Unter der 2017 zugelassenen Enzymersatztherapie zeigten alle behandelten Kinder eine langfristige Stabilisierung der Symptome und eine Reduktion der epileptischen Anfälle. Klinische Studien zur Gentherapie sowie ein individueller klinischer Heilversuch sind ebenfalls vielversprechend, so die NCL-Stiftung in ihrem Jahresrückblick 2019.