Norderstedt Fröhliche Stimmen und Gelächter schallen durch den ersten Stock des AWO-Servicehauses in Garstedt. Das lockt Neugierige an. Doch die bleiben zunächst verwundert an der Tür stehen, denn auf den ersten Blick ist nichts zu sehen. An einem scheinbar leeren, ganz gewöhnlichen Kunststofftisch sitzen sechs Senioren und haben sichtlich Spaß – doch woran? Das Geheimnis befindet sich über deren Köpfen. Dort hängt das Herzstück der sogenannten „Tovertafel“, die über einen Projektor interaktive Spiele mit Gestensteuerung auf die Tischoberfläche projiziert. Der Name kommt wie das Gerät aus Holland und heißt auf deutsch so viel wie „Zaubertisch“.
Mit einem lauten „Plopp“ zerplatzt eine Seifenblase nach der virtuellen Berührung und gibt den Teil eines Sprichwortes preis: „Was du heute …“. „Ich weiß, wie es weitergeht“, ruft Heidrun Fischer eifrig. Und die 81-Jährige ergänzt: „… kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“.
Aus dem Nichts taucht ein Schwarm Goldfische auf. Prompt versucht Elfriede Stender die flinken Fischchen zu erhaschen, die verführerisch dicht an ihr vorbeischwimmen. Platsch – vorbei. „Sie sehen so echt aus“, begeistert sich die 85-Jährige gut gelaunt und startet einen weiteren Fangversuch.
Die realistische Animation mit passenden Geräuschen aus dem Lautsprecher beeindrucken nicht nur die betagten Spieler. „Wir haben Anfang des Jahres unsere Tagespflege eröffnet und waren auf der Suche nach attraktiven Beschäftigungsanreizen für unsere Gäste“, sagt Adina Tack, Leiterin der AWO-Tagespflege. „In einer Musterwohnung im Kompetenzzentrum Demenz in Glashütte haben wir die Tovertafel entdeckt und uns war sofort klar: Die müssen wir auch haben. Damit sind wir die erste und einzige Einrichtung in Norderstedt, die dieses innovative Produkt im Einsatz hat, das in Zusammenarbeit von Experten im Pflegebereich und Universitäten entwickelt wurde.“
Mit großem Erfolg, denn die Effekte der „Zaubertafel“ sind unübersehbar. Sie zaubert betreuungsbedürftigen Menschen, ob jung oder alt, ob mit oder ohne Demenz, nicht nur ein Lächeln ins Gesicht, sondern lässt sie mit allen Sinnen (wieder) aktiv werden – im Kopf und mit dem ganzen Körper. „Die Mitspieler müssen nichts können und nichts wissen. Es gibt keine Regeln, kein Ergebnis und keine Wertung, das macht die Spiele universell einsetzbar. Zudem sind sie ‚Türöffner‘ zu Senioren, die sich von der Außenwelt zurückgezogen haben – sie treten wieder in Kontakt mit anderen, erleben und teilen neue Glücksmomente“, weiß Ella Derwis, die seit zehn Jahren als Betreuerin in der Tagespflege arbeitet.
Per Knopfdruck beamt sie ein neues Spiel auf die blanke Tischplatte. Blaue, lila- und rosafarbene Blumen schweben gemächlich heran und wachsen unter emsigem Wischen zu überdimensionalen Blüten, die jeweils die Hälfte der Spielfläche einnehmen. Streicheleinheiten statt Wasser. Die sanft taumelnden Blüten haben einen fast hypnotischen Effekt. Hannelore Peters (79) schaut sanft lächelnd zu und genießt das Farbenspiel. „Das ist magisch“, flüstert Renate Meyer (88) und Waltraud Schulze gesteht, dass sie anfangs vor dem echt wirkenden Staub der platzenden Sprichwörter-Blasen Angst gehabt hätte – „ich wollte mich nicht schmutzig machen.“ Mittlerweile ist sie Tovertafel-Profi und fast täglich mit von der Partie. Sogar an ihrem Geburtstag wurde mit ihren beiden Töchtern gespielt.
Die Spielideen der Programmierer des Tovertafel-Herstellers sind vielfältig und ständig kommen neue Varianten hinzu. „Wir werden unser Angebot sukzessive erweitern“, verspricht Adina Tack von der AWO-Tagespflege, „spätestens im Sommer kann dann mit vollem Körpereinsatz Fußball gespielt und ein Spielfeld mit Toren auf den Boden projiziert werden.“