Langenhorn Etwas wackelig biegt Amira in die improvisierte Gasse aus Fallobst ein. „Pass‘ auf, dass es kein Apfelmus gibt“, ruft Christian Burmeister der 40-Jährigen zu. Amira ist eine von zwölf Teilnehmerinnen eines kostenlosen Radfahrkurses, den Diakonie und EvaMigrA e.V. in Kooperation erstmals angeboten haben. Auf dem Schulhof im Foorthkamp lernten vergangene Woche Frauen mit Migrationshintergrund den sicheren Umgang mit dem Zweirad.
„Nach Umfragen können 35 Prozent aller Erwachsenen nicht Radfahren“, weiß der Sportwissenschaftler. Vor allem in muslimisch geprägten Kulturen wird dieser „Alltagssport“ lediglich Jungen und Männern zuerkannt – für Mädchen und Frauen ist er tabu. „Die Angst und Scham etwas vermeintlich ‚Kinderleichtes‘ nicht lernen zu können, war groß“, gesteht Amira, die vor 20 Jahren aus Afghanistan nach Deutschland kam. Radtouren ihrer Familie begleitete sie daher nur am Steuer ihres Autos.
„In meinen Kursen gebe ich den Teilnehmern etwas Zeit ihrer Kindheit zurück“, sagt der Trainer. Wichtig sei, wie Kinder unvoreingenommen und ohne Druck Dinge immer wieder auszuprobieren und an die eigenen Grenzen zu gehen. „In unbekannten Situationen gibt nicht Mut Sicherheit, sondern das Vertrauen aufs Bauchgefühl, denn das Rad ist und bleibt der Chef“, so Burmeister. Fehler seien zu akzeptieren – so „zieren“ einige blaue Flecken Amiras Knöchel und Schienbeine. Doch die sind es ihr wert, schließlich möchte sie ihrem siebenjährigen Sohn unbedingt einen großen Wunsch erfüllen: Mit Mama künftig Ausflüge per Fahrrad machen zu können – und diese Überraschung dürfte der 40-Jährigen geglückt sein.
Weitere Kurse sind fürs Frühjahr 2021 geplant; EvaMigrA e.V. bietet zudem diverse Kultur-, Sport- und Beratungsangebote für Zugewanderte an, Info unter Tel. 040/520 13 600 und www.evamigra.org.