Schon von Weitem sind sie zu hören. Lautes Geschnatter und trompetenartige Rufe kommen aus der lichtdurchfluteten Rundbogenhalle hinter dem kleinen Reetdachhaus. Eindringlich fordern 190 Gänse ihren täglichen Freigang – bis zur verordneten Stallpflicht wegen der aktuell grassierenden Vogelgrippe. Maurice Blank öffnet das Tor und die Tiere stürmen als große, weiße Wolke auf die weitläufige Weide, fressen, nehmen ein Bad in aufgestellten Bassins und pflegen ihr Gefieder. Ein Leben im hanseatischen Gänseparadies – zumindest bis kurz vor Weihnachten.
„Artgerechte Aufzucht und Haltung sowie entsprechendes Bio-Futter ist wichtig, um meinen Kunden ein hochwertiges Produkt anbieten zu können“, sagt der Agraringenieur, der seit 2015 im Redderbarg 15 den Hof Lemsahl betreibt. Ursprünglich hatte sich Blank dem ökologischen Gemüseanbau verschrieben. Er bewirtschaftet seither Flächen in Jersbek und Bargfeld-Stegen. Nach Übernahme der Hofstelle in Lemsahl zog mit 50 Hühnern auch das erste Federvieh ein – zunächst für den eigenen Bedarf. Doch auch Nachbarn, Freunde und Kunden zeigten schnell Interesse und so wuchs die tierische Hofgemeinschaft auf Zeit von Jahr zu Jahr. Aktuell bevölkern 450 Hühner, 120 Enten, 190 Gänse und vier Rinder das Gelände. Auf 35 Hektar baut Blank Futtergetreide an, Kartoffeln, Kürbisse, diverse Gemüsesorten wie Zwiebeln und Peperoni, er zieht Tomaten und Küchenkräuter in Gewächshäusern, im Sommer gibt es sogar Erdbeeren aus Folientunneln – alles und mehr ist im Selbstbedienungsverkauf oder samstags im Hofladen zu bekommen.
Der 34-Jährige setzt nicht nur konsequent auf ökologischen Landbau und Direktverkauf, sondern auch auf den persönlichen Kontakt zum Kunden. „Wo sonst steht der Landwirt noch im Laden oder macht mit interessierten Besuchern einen kleinen Hofrundgang?“, fragt Maurice Blank, der sich nach einem körperlich arbeitsintensiven Alltag gern mit Yoga entspannt. Wohlbefinden ist auch für seine Tiere Programm. Im Mai bekommt Blank, der in Lemsahl aufwuchs, die Gänseküken aus einer Bio-Brüterei in Sachsen. Anfangs müssen die gelben Federbälle alle drei Stunden kontrolliert werden – auch nachts. Da ist es von Vorteil, dass Blanks Bett nur rund 15 Meter vom Stall entfernt steht. Nach etwa sechs Wochen geht es aus dem fuchs-, marder- und greifvogelsicheren Quartier tagsüber auf die Hofweide. „Gänse brauchen Gras und Bewegung, damit sie nicht depressiv werden“, weiß der Bio-Bauer, der sich auch um einige Sorgenkinder mit Beinverletzungen kümmert, denen auf anderen Höfen schon längst der Hals umgedreht worden wäre. Damit sie nicht von der Herde überrannt werden, gibt es für sie ein separates Areal, das sie mit einer blinden Gans teilen.
„Alle meine Tiere haben ein gutes Leben gehabt. Ich kann sie mit gutem Gewissen zum Schlachter bringen“, versichert Blank. Drei bis 5,5 Kilo bringen die künftigen Weihnachtsbraten auf die Waage, Enten zwischen zwei und 4,5 Kilo – Bestellungen sind noch möglich. Und dann hat Maurice Blank noch einen Gourmet-Tipp: Gans vom Grill. Geschmacklich könne es das Fleisch locker mit dem vom Rind aufnehmen. Die Balten schwören darauf und genießen sogar ganzjährig Gänsefleisch – vielleicht kommen die Hamburger auch auf den Geschmack.