Brook statt Mittelmeer

Jens-Peter Stödter hat sie alle im Blick: Fußgänger, Radfahrer, Hirsche, Rehe und Kraniche, die im Duvenstedter Brook unterwegs sind. Der 54-Jährige ist Mitglied des NABU-Arbeitskreises Walddörfer, engagiert sich ehrenamtlich im Naturschutz und kümmert sich seit 23 Jahren um die Organisation der Kranichwache im Brook. Der zählt mit über 780 Hektar Fläche zu den größten Naturschutzgebieten Hamburgs. Von Ende März bis Anfang Juli schützen engagierte Naturfreunde die sensiblen Großvögel in der Brut- und Aufzuchtzeit, sorgen dafür, dass ausgewiesene Ruhezonen weder betreten noch befahren werden, sammeln Daten und stehen Besuchern Rede und Antwort.

„Die Pandemie hat unsere Arbeit zunehmend erschwert. Reisen war unmöglich, Spielplätze in der Stadt gesperrt, die Freizeitgestaltung auf null gefahren. Die Menschen flüchteten regelrecht ins Grüne. Nicht nur an sonnigen Wochenenden herrschte auf den Wegen im Brook ein Andrang wie auf der Mönckebergstraße beim Schlussverkauf“, erzählt Stödter. „Wiesen wurden zum Sonnenbaden oder als Spielareale genutzt, Bäume zu Klettergeräten umfunktioniert. Mit Stöckelschuhen ging es über Stock und Stein. Viele Leute waren aber nicht an Tierbeobachtung interessiert, sondern wollten schlichtweg an die frische Luft und ignorierten das Wort „Schutz“ zwischen „Natur“ und „-Gebiet“. Auf dem Brook, seinen tierischen Bewohnern und unseren Kranichschützern lag ein enormer Druck.“

20 bis 30 Brutpaare gibt es im und um den Duvenstedter Brook – über die Hälfte hatte im vergangenen Jahr keinen Nachwuchs. Zum einen wurde ihnen die Futtersuche erschwert, weil Flächen als Picknickplätze von Menschen besetzt waren, aber auch der Klimawandel hat seine Auswirkungen. Ausbleibende Niederschläge sorgten dafür, dass die Brutplätze vorzeitig austrockneten und so für Wildschweine leichter zugänglich waren. Zogen Kraniche Ende des 19. Jahrhunderts zum Überwintern nach Nordafrika, fliegen sie heute größtenteils höchstens bis nach Mittelfrankreich – oder bleiben sogar im Revier. Gut 15 Tiere sind auch in der kalten Jahreszeit in unserer Region zu beobachten. Es wird immer enger im beliebten Brook und nicht jedes Kranichpaar bekommt einen geeigneten Brutplatz. Im Frühjahr zählten Naturschützer die Rekordzahl von 150 Kranichen, die sich auf den zentralen Wiesen versammelt hatten.

„In diesem Jahr sieht die Brutbilanz erfreulicher aus“, weiß Stödter zu berichten, „zwar war immer noch viel los im Brook, aber immerhin sind 14 Jungvögel flügge geworden und haben die schwierige Phase bewältigt.“ Zurückzuführen sei das auch darauf, weil erstmals zur Brutzeit weitere Wege gesperrt wurden, um Besucherströme eingehender zu kanalisieren und Ruhezonen für die Großvögel zu vergrößern.

Für die Kranichwachen waren Frühjahr und Sommer dennoch wieder eine Herausforderung, der sie sich jeweils für eine Woche stellen. 30 Ehrenamtliche, darunter sogar zwei Paare aus dem entfernten Hessen, teilen sich die Dienste und ziehen für sieben Tage in den Wald. Diente von 1981 bis 1995 ein alter Wohnwagen als spartanische Unterkunft, geht es im Gebäude der Forstdienststelle etwas „luxuriöser“ zu. Immerhin gibt es Heizung, Wasseranschluss, WC – und einen atemberaubenden Blick auf Wald, Wiesen und seine Bewohner. „Man wird mit einem einzigartigen Naturerlebnis beschenkt“, sagt Jens-Peter Stödter, der früher oft die Kranichwache übernommen hat, sich heute jedoch auf die Organisation konzentriert. „Mit unserer Arbeit im NABU-Arbeitskreis sorgen wir auch für die Erhaltung und Schaffung von Lebensräumen der sogenannten ‚Vögel des Glücks‘, die Feuchtwiesen brauchen. Nach Absprache mit Behörden und Eigentümern schütten unsere Mitglieder in Handarbeit alte Entwässerungsgräben zu, damit sich auf entstehenden Wollgraswiesen Insekten ansiedeln, die wiederum eine Nahrungsquelle für den Kranich dienen.“ Zwar stünde der nicht mehr auf der Liste gefährdeter Arten, dennoch sei er weiterhin auf Biotopschutz und Bewachung angewiesen, damit er sich auch in den kommenden Jahren im Duvenstedter Brook wohlfühlt.