Wie Anika Heinsohn um ihr Reitzentrum kämpft

Henstedt-Ulzburg. Um Hilfe zu bitten, liegt Anika Heinsohn nicht. Dennoch war die selbständige Pferdetrainerin dankbar, als sie im März 2020 Corona-Soforthilfe beantragen konnte. Beim ersten Lockdown im Frühjahr als auch beim zweiten im Winter musste sie ihren Betrieb in Henstedt-Ulzburg komplett runterfahren. Reitstunden und Seminare waren wochenlang aus Infektionsschutzgründen behördlich untersagt. (Das Abendblatt berichtete.) „Ich hatte keine Einnahmen, aber die Kosten etwa für Pacht und Futter liefen unerbittlich weiter. Deshalb habe ich mich über die Auszahlung von 9000 Euro gefreut“, erinnert sich Anika Heinsohn, die Angst hatte, ihr Anima Ausbildungszentrum nach zehn Jahren aufgeben zu müssen.

Doch nun fordert die Investitionsbank Schleswig-Holstein die Hälfte der Summe zurück. „Der Zeitpunkt dafür ist doch verrückt. Mein Betrieb ist noch lange nicht über den Berg. Wir stecken weiterhin in der Pandemie und wissen nicht, ob und wann wieder Einschränkungen beschlossen werden. Zudem habe ich das Geld nicht über, weil laufende Kosten für 14 Pferde und Ponys mit 4000 Euro pro Monat weiterhin hoch sind“, ärgert sich die 40-Jährige.

Wie sie sind über 56000 Unternehmen und Selbstständige in Schleswig-Holstein aufgefordert worden, ihren tatsächlichen Liquiditätsengpass für drei Monate nach der Antragstellung zu berechnen. Ist er niedriger ausgefallen als von ihnen zuvor geschätzt, ist die Soforthilfe teilweise oder komplett retour zu zahlen. Anika Heinsohn ist fassungslos: „Der Gesetzgeber macht mir den Betrieb zu, ich versuche, möglichst viele ausstehende Rechnungen für Tierarzt und Schmied nach hinten zu verlegen, um meine Kosten zu minimieren – und als Dank fehlen mir die Ausgaben für die Berechnungszeit. Als wenigstens wieder Einzelstunden möglich war, stand ich von morgens bis abends in der Reithalle und habe bis zum Umfallen Reitunterricht geben, um die Ausfälle zu kompensieren. Für meinen Einsatz werde ich nun im Nachhinein bestraft.“

Dass sie sich unternehmerisch richtig verhalten habe, sei ihr zum Verhängnis geworden, so sieht es Michael Beeck von der SHBB Steuerberatungsgesellschaft Henstedt-Ulzburg. „Die Soforthilfe sollte einmalig und vorbehaltlos ohne Prüfung ausgezahlt werden. Von einer möglichen Rückzahlung war nie die Rede. Es sollte schnell, unbürokratisch und niedrigschwellig ablaufen, doch der Staat veränderte ständig die Spielregeln für seine finanzielle Unterstützung. Ob das juristisch haltbar ist, müssen wohl Gerichte klären. In mehreren Bundesländern sind bereits Klagen eingereicht worden.“ Michael Beeck empfiehlt seiner Mandantin – und anderen Betroffenen – sich Rechtsbeistand zu suchen und Widerspruch gegen den Rückzahlungsbescheid einzureichen. „Am besten mit der Anmerkung, dass man mit der Aussetzung der Entscheidung einverstanden ist, solange über anhängige Verfahren noch nicht entschieden wurde.“

Anika Heinsohn hat nun Neustarthilfe beantragt – damit will sie auch die Soforthilfe zurückzahlen: „Ich stopfe quasi ein Loch mit einem anderen. Das ist widersinnig, denn auch das Geld werde ich wahrscheinlich irgendwann zurückzahlen müssen, aber mir bleibt nichts anderes übrig.“ Und noch ein Thema liegt ihr am Herzen. „Ich habe große Solidarität erhalten, als ich mit meinem Betrieb ums Überleben kämpfte, und die wird nun mit Füßen getreten.“ Reitkinder plünderten ihre Sparschweine, bastelten und verkauften kleine Kunstwerke, um ihre geliebten Vierbeiner zu unterstützen. Über einen Abendblatt-Aufruf und Crowdfunding kam einiges an Spenden zusammen. Jeden einzelnen Betrag hat die Trainerin dokumentiert. „Dass ich nun alles als Einnahmen versteuern muss, ist enttäuschend – vor allem für die kleinen und großen Helfer, die uneigennützig mir und dem Ausbildungszentrum etwas Gutes tun wollten.“

„Steuerrechtlich ist die Forderung zwar berechtigt, dennoch wäre es wünschenswert gewesen, der Staat wäre in der Corona-Ausnahmesituation kulanter mit der Regelung umgegangen. Wer kreativ geworden ist, um sich über Wasser zu halten und finanzielle Lücken zu schließen, wird bestraft – stattdessen sollte er doch eher unterstützt werden“, findet Steuerberater Beeck.