Hier sind Pippi, das Sams und die Orchis zuhause

Die Geschichten von „Pippi Langstrumpf“ kennt im Alstertal sicher jedes Kind – und alle, die einmal Kinder waren. Doch die wenigsten wissen, dass die berühmte Autorin Astrid Lindgren zwischen 1954 und 1996 häufig nach Duvenstedt kam. Mindestens 20-mal war die Schwedin im schmucken Rotklinkerbau in der Duvenstedter Chaussee 55 zu Gast, dem bis 2020 Wohn- und Firmensitz des Oetinger-Verlages, der sich auf Kinder- und Jugendliteratur spezialisiert hat. Besonders mit Verlegerin Heidi Oetinger verband die gut Deutsch sprechende Autorin eine innige Freundschaft. „Das Gästezimmer im ersten Stock meines Elternhauses war immer für Astrid Lindgren reserviert“, erinnert sich Verleger-Tochter Silke Weitendorf.

Heute hat sie in diesem Raum ein Büro ihrer frisch gegründeten Stiftung. Nach 60 Jahren im Familienunternehmen und mit dem Ausscheiden aus der Verlagsgruppe Oetinger erfüllt sich die 80-Jährige einen lang gehegten Wunsch. „Mit der Silke Weitendorf-Stiftung möchte ich die Verbundenheit des Verlags mit seinen Autorinnen und Autoren am Leben erhalten.“ Darunter sind viele bekannte Namen: James Krüss („Timm Thaler“), An Rutgers („Die Kinderkarawane“), Paul Maar („Das Sams“), Christine Nöstlinger („Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse“), Kirsten Boie („Mövenweg“), Sven Nordqvist („Petterson und Findus“), Cornelia Funke („Tintenherz“), Erhard Dietl („Die Olchis“) – und allen voran natürlich Astrid Lindgren.

Neben der Errichtung einer Präsensbibliothek und der Pflege des Verlags-, Illustratoren- und Autorenarchivs widmet sich die Stiftung vor allem dem Andenken der persönlichen Beziehung der beiden starken Frauen Astrid Lindgren und Heidi Oetinger. In einer Wechselausstellung finden sich Briefe, Fotos und Erinnerungsstücke, aber auch Kurioses wie „Sams-Rückhol-Tropfen“. Ein Raum enthält einen besonderen Schatz aus dem Astrid-Lindgren-Kosmos: eine große Sammlung mit über 800 Büchern, darunter viele Erstausgaben und signierte Exemplare, in 44 Sprachen – „Pippis“ Abenteuer in Hindi, auf Afrikaans und Friesisch –, rund 700 Zeitschriften mit Kurzgeschichten der Schwedin sowie Puppen, Marionetten, Puzzle und Werbeartikel etwa für die legendären Lebertran-Pillen, die bekanntlich so stark machen sollten, um ein Pferd heben zu können. 

„Ich habe sie zwar nicht selbst probiert, aber sie sollen wie die Pest schmecken, habe ich aus erster Hand erfahren“, sagt Marion Blienert lachend. Die Lübeckerin hat seit 1997 vieles rund um ihre Lieblingsautorin Astrid Lindgren zusammengetragen und ihre Sammlung der neu gegründeten Stiftung überlassen. „Je mehr Sachen es wurden, desto mehr wurde mir klar, dass sie dauerhaft nicht in mein Wohnzimmer gehören, sondern von vielen Menschen gesehen werden sollten“, sagt die 59-Jährige. 

Neben den Ausstellungen sollen im Heidi-Oetinger-Haus, in dem die Verlegerin bis 2009 lebte, auch Lesungen und Buchvorstellungen stattfinden sowie Konzepte zur kindgerechten Vermittlung von Literatur entwickelt werden. Auf Anfrage steht das Kinderliteraturarchiv für Forschungsprojekte zur Verfügung. Darüber hinaus werden Stipendien in den Bereichen Illustration, Kinderbuch und Literaturwissenschaft vergeben. Bei Bedarf können auf Zeit zwei gemütliche Dachzimmerchen bewohnt werden. Für ein heimeliges Ambiente sorgen kuschelige Alkovenbetten und eine original-originelle Dschungeltapete aus den 1960er Jahren, die heute wieder angesagt ist.

Pippi, Sams und Olchi-Fans können nach Absprache das Duvenstedter Heidi-Haus besichtigen. Bei Interesse bitte eine Mail senden an office@weitendorf-stiftung.de; weitere Informationen gibt es unter www.weitendorf-stiftung.de.