Über die Hälfte der 7500 Kilometer langen Strecke quer durch Nordeuropa ist geschafft – ohne Panne, dafür aber mit unzähligen Mückenstichen, gegen die es scheinbar kein wirksames Mittel gibt. Seit dem 18. Juni sind Neele und Jakob aus der Region Segeberg mit ihrem 22 Jahre alten Volvo V70 unterwegs auf der „Baltic Sea Circle Charity Rallye“ (das Abendblatt berichtete). Über Dänemark, Schweden und Norwegen haben es die beiden bereits nach Finnland geschafft. „Die Landschaft hier ist etwas eintönig und die Straßen führen viel geradeaus, daher freuen wir uns auf Abwechslung“, erzählt die 22-jährige Neele. Am Sonntagabend stand ein Besuch bei einer Freundin in Lahti an, am Montag die Stadtbesichtigung von Helsinki – bei hochsommerlichen 31 Grad.
Daran muss sich das Team „noerd.licht“ erst einmal gewöhnen, denn bisher hatte es das Wetter nicht besonders gut mit ihm und den weiteren knapp 300 Rallye-Fahrern gemeint. „Bei etwa zwölf Grad war es in Nord-Norwegen sehr windig und es hat viel geregnet, was ungünstig für unser Dachzelt ist, das eigentlich immer trocken verpackt werden muss, ehe wir weiterfahren können“, berichtet der 23-jährige Jakob. Viel schlimmer ist, dass er seine fast nagelneuen Wanderschuhe auf einer Tankstelle vergessen hat. „Ich habe sie imprägniert, zum Auslüften ans Auto gestellt und erst 667 km weiter bemerkt, dass ich sie weg sind.“ Aber Glück im Unglück: Ein anderes Team hat per WhatsApp vom Missgeschick erfahren, die Schuhe eingesammelt und bringt sie am 3. Juli mit ins Ziel nach Gut Basthorst.
Um traumhafte Landschaften wie auf den mystischen Lofoten genießen zu können, müssen die Schleswig-Holsteiner einmal pro Tag tanken. 70 Liter passen in den Volvo; das macht bei einem Sprit-Preis von 2,60 Euro rund 130 Euro pro Tag. „Umso mehr freuen wir uns über die vielen Unterstützer, die über die Abendblatt-Berichte auf uns aufmerksam geworden sind, unsere Benzinkasse auffüllen und auch für unser Charity-Projekt, die Therapiepferde der Lübecker ‚Ergo-Ranch‘, spenden“, sagt Neele dankbar.
Pflichtschuldig war das Team am Nordkap, dem nördlichsten Punkt Europas, um das obligatorische Foto vor dem berühmten Globus aufzunehmen. „Den vierstündigen Weg hätten wir uns auf einer normalen Reise geschenkt, weil es in der Ödnis nichts zu sehen gibt, doch wir müssen dringend Aufgabenpunkte sammeln“, erklärt Neele. Auf den verlangten Transport einer geöffneten Dose „Sürströmming“, einer intensiv riechenden schwedischen Fischspezialität, hat das Paar jedoch verzichtet – „den Gestank hätten wir noch Monate im Wagen gehabt“ –, dafür heimst es regelmäßig Punkte durch Übernachtungen in der Wildnis ein, während einige andere Fahrer im Hotel absteigen.
„Die Mittsommernächte in der Natur zu verbringen, ist traumhaft. Richtig dunkel wird es gar nicht – um halb eins ist die Sonne kurz weg und um halb drei schon wieder da“, begeistert sich Jakob, der als Student für Wirtschaftsingenieurswesen auf der Tour eine mündliche Online-Prüfung ablegen musste. „Erst zehn Minuten vor Beginn haben wir eine Tankstelle mit stabilem Internet erreicht – das war knapp, hat aber funktioniert.“
Das Navigieren ausschließlich mit Straßenkarten in Papierform dagegen ist nicht immer optimal. „Unsere Pläne sind sehr grob skaliert, deshalb müssen wir ab und zu über Satellitenbilder von Google Maps unseren Weg suchen, aber auf ein Navi verzichten wir“, räumt Jakob ein.
Als letzte Starter ins Rennen gegangen, liegt Team „noerd.licht“ weiterhin mit an der Spitze des abenteuerlichen Rennens. „Wir wissen von sechs Teams, die wegen Problemen mit dem Auto, Motorschaden oder eines familiären Trauerfalls aufgeben mussten. Bei uns sind Auto und Beziehung weiterhin gut in Schuss und wir haben eine gute Zeit“, versichern die Norddeutschen.
Am Dienstagabend geht es für sie auf die Fähre vom finnischen Helsinki in die estnische Hauptstadt Tallinn. Dort findet am Mittwochabend die nächste Rallye-Party mit allen noch aktiven Fahrern statt.
Über ihren Instagram-Account @noerd.licht gibt es Bilder und Videos von der Rallye sowie Infos zu Spendenmöglichkeiten.