Was bei "Hempels" unterm Sofa liegt, wird wiederverwertet

Norderstedt. Nachhaltigkeit war vor zehn Jahren für viele Menschen noch ein Fremdwort. Heute liegt Wiederverwenden absolut im Trend, also gebrauchte Dinge nicht wegzuwerfen und zu vernichten, sondern weiter zu nutzen. Das Betriebsamt der Stadt Norderstedt hat dafür im Jahr 2012 mit dem Gebrauchtwarenhaus „Hempels“ einen besonderen Ort geschaffen.

Gut erhaltene Second-Hand-Waren finden für kleines Geld neue, glückliche Besitzer – auch Schnäppchenjäger kommen in der Stormarnstraße 34-36 auf ihre Kosten. Jeden Tag geben rund 100 Menschen ihre gebrauchten „Schätze“ ab. Allein im Jahr 2019 wurde etwa eine Million Artikel gespendet – von der Schrankwand über Handmixer und Winterreifen bis zu Turnschuhen.

Und auch bei den Besucherzahlen knackte „Hempels“ die magische Marke: Seit der Eröffnung am 30. Juli 2012 hat über eine Million Menschen „Hempels“ besucht. Darunter Nostalgiker, die auf der Suche nach Erinnerungen sind, aber auch immer mehr Jüngere unter 30 Jahren. „Die haben uns inzwischen auf dem Zettel, weil sie bewusst nachhaltig leben wollen“, erzählt Betriebsleiter André Klinger. „Wir wollten von Beginn an auch Menschen ansprechen, die finanziell gut gestellt sind. Sie kommen zu uns, weil sie das Konzept von Wiederverwertung und Abfallvermeidung unterstützen.“

Mit leeren Händen verlässt kaum jemand das ehemalige Druckereigebäude in der Nähe des Stadtparks. „Die meisten Kunden nehmen nicht immer das mit, was sie gesucht haben, aber sie finden andere Dinge, an denen sie Freude und Nutzen haben“, so Klinger.

Das Norderstedter Gebrauchtwarenhaus ist eine riesige Wundertüte, die auf 1700 Quadratmetern jeden Tag etwas anderes anbietet. So wartet seit kurzem eine altehrwürdige Kirchenbank auf Interessenten – 349 Euro soll das gute Stück kosten, das seinem Vorbesitzer in dessen Wintergarten gute Dienste leistete. Die Preise sind Festpreise – Feilschen ist nicht angesagt, auch wenn es der eine oder andere immer mal wieder probiert. „Wir sind kein überdachter Flohmarkt“, betont Klinger.

Zum „Hempels“-Team gehören Fachleute für Textilien, Porzellan, Möbel und Elektro, die dank langjähriger Expertise beurteilen können, ob die Artikel ohne großen Aufwand und zu welchem Preis verkaufsfähig sind. Fehle mal eine Schraube an einem Regal, sei das kein Problem, betont der Betriebsleiter, aber gesprungene Teller oder fleckige Pullover seien ein „No-Go“. 

Waren es anfangs sieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, kümmern sich mittlerweile 25 um das Tagsgeschäft– darunter im Rahmen des Inklusionskonzeptes fünf Menschen mit geistigen Behinderungen und Lernschwierigkeiten. „Als Außenarbeitsplatz arbeiten wir mit einigen Behinderten-Werkstätten zusammen“, erklärt Sophie Knoop, die bei „Hempels“ für die Arbeitsanleitung zuständig ist. „Der soziale Aspekt kommt bei den Kunden gut an; vor allem weil Inklusion bei uns mittendrin statt separiert heißt. Die Beschäftigten werden je nach Belastbarkeit und Interesse in der Warenannahme, Sortierung und Regalbestückung eingesetzt. Sie gewinnen Selbstvertrauen und erfahren Wertschätzung durch Kunden und Kollegen.“

Die Pandemie hat auch dem Gebrauchtwarenhaus zugesetzt. Wurde 2019 der bisher größte Jahresumsatz mit knapp über einer Millionen Euro erzielt, sanken die Zahlen durch Lockdown und monatelange Zwangsschließungen.  so dass die Stadt zuschießen muss. Der Halbjahresumsatz lag 2021 immerhin 65 Prozent hinter dem Vergleichszeitraum in 2019. „Wir merken, dass viele Kunden immer noch vorsichtig sind, aber inzwischen ist wieder einiges los“, sagt André Klinger, der bekennt, seit seinem Einstieg bei „Hempels“ selber weniger zu konsumieren. „Vor jedem Kauf überlege ich reiflich, ob ich das eine oder andere wirklich haben muss.“