Norderstedt. „Guck‘ mal, was ich gefunden habe! Kann man die essen?“, aufgeregt stürmt die sechsjährige Sofie auf Monika Weber zu und streckt ihr zwei kleine Pilze entgegen. Die Expertin nimmt die beiden braunen Waldbewohner genau in Augenschein, dreht und wendet sie und befindet abschließend: „Ja, die kann man essen, das sind leckere Steinpilze!“
Als PilzCoach, zertifiziert von der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, bietet Monika Weber im Herbst bis zum ersten Frost Pilz-Safaris durch die umliegenden Wälder im Raum Norderstedt, Tangstedt, Kisdorf und Itzehoe an – darunter auch als VHS-Angebote. Mit maximal zwölf Teilnehmern geht es auf die Suche nach genießbaren Speisepilzen. „Das sind keine Sammeltouren, um so viel wie möglich aus dem Wald zu holen, sondern informative Lehrwanderungen“, betont die 77-Jährige mit den markanten roten Haaren.
Eingangs gibt es bei den dreistündigen Expeditionen lebenswichtigen Anschauungsunterricht, denn von rund 5000 in Schleswig-Holstein beheimateten Pilzarten sind nur gut 100 essbar. Und: Für nahezu jeden Speisepilz gibt es einen giftigen Doppelgänger! Laut Statistik des Giftinformationszentrums-Nord in Göttingen wurden in Norddeutschland von 2019 bis 2021 2312 Pilzvergiftungen gemeldet – 60 Prozent mehr als im vergleichbaren Zeitraum von 2016 bis 2018.
Um künftig sicherzugehen, was in der Pfanne landet, hat Pheline Sturzenbecher die Pilz-Safari im Rantzauer Forst gebucht. „Ich war neulich ‚in den Pilzen‘ und musste nach einem Blick ins Bestimmungsbuch meine gesamte Beute wegwerfen“, beklagt die Hamburgerin. Statt Maronen waren bittere Gallenröhrlinge im Korb gelandet. Damit nicht das oder Schlimmeres passiert, will Monika Weber wichtiges Wissen vermitteln. Etwa, dass die Nebelkappe zwar schmeckt, aber für heftige Magen- und Darmprobleme sorgt. Oder dass der hochgiftige Knollenblätterpilz dem harmlosen Champignon zum Verwechseln ähnlichsieht und nur von Kennern entlarvt werden könne. „Deshalb besser Finger weg von weißen Pilzen im Wald“, empfiehlt die Kaltenkirchenerin, die bereits als Kind Champignons auf Pferdeweiden sammelte und an Nachbarn verkaufte, um ihr Taschengeld aufzubessern. Dagegen sei ein kurioses Exemplar, das wie ein Badeschwamm aussieht, außerordentlich schmackhaft: „Die Krause Glucke oder auch Fette Henne genannt mit Schweinefleisch und Speck anbraten, Erbsen dazu und mit verquirlten Eiern übergießen –schon haben Sie ein leckeres Abendessen. Wichtig ist, Pilze innerhalb von 24 Stunden zu verarbeiten und mindestens 15 Minuten zu garen.“
Jutta Brosius aus Ellerau staunt: „Was, das Ding kann man essen? So etwas habe ich aus Unwissenheit immer stehengelassen; das nächste Mal nehme ich es mit.“
Auch Alexander Brückmann träumt von einem schmackhaften Pilzgericht. Er hat seiner Freundin Sina Timm die Pilz-Safari samt Sammelkörbchen und Pilzmesser zum Geburtstag geschenkt. In Norwegen haben die beiden mal Pfifferlinge gesammelt. Wirklich Ahnung von den Schätzen des Waldes haben sie nicht, aber der Jagdeifer ist ihnen anzusehen.
Ein eher unscheinbarer, kleiner Pilz am Wegesrand schürt das Interesse. Monika Weber zückt ein Messer und ritzt den Fruchtkörper an. Innerhalb von Sekunden läuft der blau an – und färbt auch die Finger der interessierten Safari-Gänger. „Das ist ein Tintling“, erklärt Weber, „aus größeren Exemplaren kann man sogar Tinte zum Schreiben oder Malen gewinnen.“ Und der Birkenpohrling, der am Baumstamm wächst, diene zur Herstellung von exklusivem Privatpapier – das hat sie alles selbst ausprobiert.
Die Pilzgänger schwärmen durch das Unterholz. Die Ausbeute ist überschaubar. „Die Pilzsaison hat gerade erst angefangen“, beruhigt Monika Weber. „Beim nächsten Mal finden Sie bestimmt mehr.“ Thomas Dilgert aus Quickborn dagegen, ist zufrieden. Zwar ist die Ernte des bekennenden Laien nicht so ergiebig wie die Tour in Südtirol, doch sind ihm 14 kleine Steinpilze ins Körbchen gegangen. „Das sind die leckersten Pilze überhaupt“, schwärmt der Genießer, „heute Abend gibt es ein feines Pilzrisotto.“