Norderstedt Schals, Socken und Topflappen waren gestern – weltweit folgen Handarbeitsfans begeistert einem Internet-Trend und stricken oder häkeln eine Temperaturdecke, auch Wetterdecke genannt. Dafür wird über ein Jahr jeden Tag die jeweilige Temperatur mit zuvor definierten Farben dargestellt, so dass eine bunte, kuschelige Decke entsteht.
Eine Kreative, die sich nicht nur auf eine einzige Reihe Handarbeit pro Tag beschränken möchte, ist Angela Heikens aus Norderstedter. Sie hat sich für eine anspruchsvolle Variante entschieden und möchte mit ihrer Häkelnadel sogar drei Temperaturen pro Tag darstellen: die Tiefst- und die Höchsttemperatur sowie den Mittelwert. „Die Daten beziehe ich über www.wetterkontor.de von der Wetterstation in Fuhlsbüttel, die meinem Wohnort Garstedt am nächsten liegt“, erklärt die 49-Jährige. Gehäkelt werden zudem keine schnöden Reihen – „das ist mir zu langweilig“ –, sondern Sechsecke mit Stäbchen- und Büschelmaschen aus Baumwollgarn. Die werden mit einer neutralen Kontrastfarbe in Grau zusammengehäkelt und bilden letztlich die Wolldecke mit einer später stattlichen Größe von 90 mal 200 Zentimetern.
In Drei-Grad-Schritten hat die Linkshänderin ihre Farbskala bestimmt. Angela Heikens verwendet 15 Farben, die Temperaturen von minus neun bis plus 31 Grad Celsius darstellen. Rot-Töne stehen dabei für sommerliche Wärme, Gelb-und Grün-Töne für die durchwachsene Frühlings- und Herbstzeit und Minusgrade werden in blauen Varianten verewigt. Letztere überwiegen deutlich auf dem noch sehr kleinen Deckenstück, das am ersten Januar mit Winterflair, Frost und Schnee begonnen wurde.
„Ich hoffe sehr, dass die Temperaturen bald wieder über Null Grad klettern, damit ich mit anderen Farben weitermachen kann“, sagt die Norderstedterin lachend und räumt ein, sich vorher noch nie so intensiv mit der Witterung beschäftigt zu haben wie jetzt. „Ich bin gespannt, ob mir das Jahreswetter einen Strich durch meine Lieblingsfarben machen wird, denn die sind Pink und Fuchsia und entsprechen angenehmen 22 bis 27 Plusgraden.“
Die Langenhornerin Lena Trost arbeitet an einer ganz besonderen Temperaturdecke aus Merinowolle. „Ich möchte die Wetterdaten aus dem ersten Lebensjahr meiner Tochter Johanna verewigen, die am 26. Juni 2014 geboren wurde. Zu ihrem zehnten Geburtstag in diesem Sommer möchte ich ihr dieses einzigartige Geschenk machen“, erzählt die 37-jährige und greift für ihr Projekt auf die gespeicherten Temperaturinformationen der Wetterplattform zu. Eine Anleitung für die Häkel-Hexagone fand sie unter www.eddna.de unter dem Stichwort „Throw a temperature“.
Handarbeiten seien ein wunderbarer Ausgleich zu ihrem Job und bedeute für sie Achtsamkeit, erklärt die Mathematiklehrerin, die sich und ihre beiden Töchter mit Jacken, Kleidern und Hosen bestrickt. „Für mich ist das entspannendes Maschen-Yoga.“
Stricken und Häkeln – das ist längst kein „Oma-Ding“ mehr mit kratzigen Wollpullovern. „Handarbeiten stehen für Nachhaltigkeit, und die ist angesagt. Der Nadelspaß ist vor allem wegen des Internets deutlich internationaler geworden und hat viele neue Freundinnen und Freunde gefunden. Es gibt zahlreiche Foren, in denen kreative Muster und neue Techniken rund um den Erdball ausgetauscht werden“, erklären Maren Quitsdorf und Uta Kelting-Schubert, die vor fünf Jahren das Geschäft „Wilde Engel stricken“ im Schmuggelstieg übernommen haben. Jeden ersten Dienstag im Monat von 18 bis 21 Uhr bieten sie einen Strick-Treff an. Dort tauschen sich ambitionierte Nadelkünstlerinnen und -künstler sowie solche, die es werden wollen, aus und können angesichts der flauschigen Materialfülle des Spezialgeschäftes aus dem Vollen schöpfen.
Übrigens: Wer den Schwierigkeitsgrad seiner Temperatur- oder Wetterdecke erhöhen möchte, kann zusätzliche Informationen über den Grad der Bewölkung, Regen oder Wind mit entsprechenden Ziermaschen codieren. In jedem Fall entsteht ein individuelles Unikat und sicher ein Hingucker auf dem Sofa, dem Bett, im Garten oder am Strand.