Tangstedt Auf Facebook macht aktuell ein Post die Runde: „In Wiemerskamp bilden sich gerade Nachbarschaftsgruppen gegen die grassierende Einbruchswelle im Ort“, schreibt ein Mitglied und fügt das Foto eines „Warnschildes“ bei. „Achtung! WhatsApp Nachbarschaftsschutz“ heißt es da. „Gibt es Pfefferspray oder ‘ne Weste als Willkommensgeschenk?, fragt ein Gruppenteilnehmer. „Auf Wunsch nur den Skalp eines ergriffenen Einbrechers“, lautet die süffisante Antwort.
Rottet sich in der beschaulichen Waldrandsiedlung eines Tangstedter Ortsteils etwa eine Bürgerwehr zusammen? Ein Besuch vor Ort.
Drei Anwohner haben einem Gespräch zugestimmt – allerdings möchte keiner namentlich in der Zeitung genannt werden. Die mediale Aufmerksamkeit für das brisante Thema ist gar nicht recht, zumal der Post nicht von ihnen, sondern von jemandem stammt, der lediglich in der Nähe wohnt.
Mit Einbruchschutz habe das Schild vorrangig nichts zu tun, wiegelt eine ältere Dame gleich zu Beginn ab. „Wir sind lediglich eine intakte Nachbarschaft, in der alle aufeinander achten und sich gegenseitig helfen.“ Seit rund zehn Jahren gäbe es in der Sackgassensiedlung mit 42 Haushalten eine WhatsApp-Gruppe, um sich gegenseitig Tipps etwa für Elektriker und Kammerjäger zu geben, den Besitzer eines entlaufenen Hundes zu finden oder Einkaufshilfe in Corona-Zeiten anzubieten. Selbstverständlich achte man aber auch auf Personen und Fahrzeuge, die sich in den zwei Anliegerstraßen möglicherweise „verirren“.
Um das interne Netzwerk nach außen kenntlich zu machen, haben sich die 32 Gruppenmitglieder auf die Anfertigung und Aufstellung sechs identischer Info-Tafeln geeinigt, die ein Nachbar in den Niederlanden entdeckt hatte. Tatsächlich findet sich im Internet eine große Auswahl vorgefertigter Designs, bei denen der Straßenname hinzugefügt werden kann. Rund 150 Euro haben die Wiemerskamper Anwohner für jedes der sechs Schilder zusammengelegt. Eigentlich sollten die gut sichtbar an Laternenmasten befestigt werden, allerdings wäre dafür eine Genehmigung nötig gewesen, doch das Amt in Itzstedt sei nicht sehr kooperativ gewesen weiterzuhelfen.
Nun stehen alle Tafeln auf Privatgrund. „Aber nicht jeder wollte ein Schild im eigenen Garten haben, weil Einbrechern damit suggeriert werden könnte, dass es sich hier lohnen würde einzusteigen“, räumt die Gastgeberin ein.
Also doch Kriminal-Prävention auf eigene Faust? Schließlich ist auf der Tafel ein maskierter Dieb dargestellt. Die drei Gesprächsteilnehmer sind bemüht, das Thema herunterzuspielen, berichten jedoch von diversen Einbrüchen und Einbruchsversuchen, erst kürzlich sogar drei Mal in der Vorweihnachtszeit. Vor einigen Jahren hätten die Anwohner sogar für längere Zeit einen privaten Sicherheitsdienst engagiert, berichtet ein Herr, der seit über 50 Jahren in der Siedlung wohnt.
„Die Sicherheit der Bürger ist eine Aufgabe des Staates, aber wir fühlen uns von der örtlichen Politik alleingelassen und hätten zumindest Unterstützung etwa bei der Antragsstellung erwartet“, bemängelt Frau H., die vergangenen Sommer auch ungebetenen „Besuch“ auf ihrem mit vielen Kameras gesicherten Grundstück hatte.
Tangstedts Bürgermeister weist die Kritik zurück. „Das ist eine Privatinitiative, mit der die Gemeinde nichts zu tun hat“, sagt Jens Kleinschmidt (FDP). „Tatsache ist jedoch, dass wir ein Problem mit mangelnder Polizeipräsenz haben. Ab 18 Uhr ist die Tangstedter Wache nicht mehr besetzt und Einwohner als auch Feuerwehr warten bis zu einer Stunde auf polizeiliche Hilfe – das ist eine Katastrophe. Das System muss dringend überdacht werden.“ Im Übrigen habe er dafür gesorgt, dass nach rund eineinhalb Jahren nächtlicher Dunkelheit in vielen Dorfstraßen die Straßenlaternen wieder leuchten. Die waren aus Energiespargründen von ein bis fünf Uhr morgens ausgeschaltet. Doch nun könnten sich die Bürger – zumindest was die Beleuchtung angeht – wieder sicherer fühlen.
Und wie bewertet die Polizei die Bürgeraktion? „Wenn Chatgruppen und Schilder dazu genutzt werden, um sich und andere zu sensibilisieren, und die Polizei frühzeitig eingebunden wird, kann das einen Mehrwert für das Sicherheitsgefühl der Anwohner haben“, sagt Jens Zeidler von der Polizeidirektion Bad Segeberg. „Unter dem Aspekt ‚Abschreckung von potenziellen Tätern‘ könnte es durchaus einen Versuch wert sein, sein Eigentum auf diese Weise zu schützen. Ob die Schilder auch faktisch Taten verhindern, kann nicht beantwortet werden.“