Seth. Gregor Jatzlauk legt sein Geld nicht in Aktien, Gold, Immobilien oder Kunst an – der Sether spekuliert mit Lego-Steinen. Seit sechs Jahren kauft er Bau-Sets ein, die vom Hersteller in absehbarer Zeit vom Markt genommen und nicht mehr produziert werden. Jatzlauk setzt dabei auf zunehmende Nachfrage bei Sammlern und Lego-Fans sowie auf steigende Preise für die zukünftigen Raritäten.
Rund 23 Milliarden Noppensteine fertigt der Spielzeugriese Lego jährlich in seinem Hauptwerk im dänischen Billund. Bau-Sets werden dabei im Schnitt nur für zwei bis drei Jahre produziert und dann als Auslaufmodelle im Online-Shop mit „letzte Gelegenheit“ gekennzeichnet. Die Liste der sogenannten EOL-Sets – „End of Life“ steht für das Produktionsende – gibt Gregor Jatzlauk wichtige Hinweise zum Investieren, bevor er zuschlägt. „Ich suche dann nach Rabattaktionen und Sonderangeboten von Geschäften und Online-Shops und nutze Events wie den ‚Black Friday‘, um Schnäppchen zu machen. In der Anfangszeit habe ich auch mal Nächte vor dem Computer verbracht, um keinen Preisalarm zu verpassen, inzwischen bin ich etwas entspannter geworden.“
Gekauft werden von ihm nicht einzelne Bausätze, sondern die gleich in höheren Stückzahlen – immer ausschließlich Neuware. Rund 25000 Euro pro Jahr steckt der 36-Jährige in sein Business, der im Sommer wieder in seinen Beruf als Bio-Chemiker einsteigen will.
Die gekauften Kartons kommen zunächst in ein 30 Kubikmeter großes, eigens dafür angemietetes Lager, in dem aktuell rund 3000 Kunststoffstein-Sets mit einem sechsstelligen Euro-Wert auf den Wiederverkauf warten. Über seine „EOLinger“-Shops bei Kleinanzeigen und eBay bietet der Sether die bunte Ware Lego-Fans an. „Vorab lege ich einen Verkaufspreis fest, etwa das Doppelte meines Einsatzes. Spätestens nach zwei Jahren muss ein Artikel wieder raus sein, sonst rechnen sich die Lagerkosten von rund 140 Euro pro Monat nicht“, erklärt Jatzlauk.
Echte Lego-Fans greifen bisweilen tief in die Tasche, um ein begehrtes Sammlerstück zu erstehen. Laut www.brickfact.comist die „Star Wars Cloud City” mit einem Marktwert von 7260 Euro das wertvollste Lego-Set aller Zeiten. Der Verkaufspreis im Jahr 2003 betrug dagegen nur 89,90 Euro – eine Wertsteigerung von über 800 Prozent.
Eine Erfolgsgarantie für den großen Reibach gibt es jedoch nicht. Neben der in den vergangenen Jahren stark gestiegenen Konkurrenz spielt auch eine gewisse Markt- und Branchenkenntnis eine wichtige Rolle. Doch manchmal verspekuliert sich Lego-Investor Jatzlauk auch. „2022 habe ich das Disney-Schloss im vierstelligen Euro-Betrag eingekauft, bei dem ich sicher war, dass es schon bald seine Liebhaber finden würde. Leider hat mir Lego einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil das Unternehmen ein halbes Jahr später ein sehr ähnlich aussehendes Schloss auf den Markt gebracht hat. Bei solchen Artikeln bin ich froh, wenn ich den Einkaufspreis wieder reinbekomme.“
Angefangen hat die Lego-Leidenschaft bei dem mittlerweile zweifachen Vater bereits im Kindesalter. Vor allem Lego-Eisenbahnen hatten es dem jungen Gregor angetan, die er zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt bekam. „Als ich für mein Studium auszog, musste ich mein Kinderzimmer ausräumen und entdeckte dabei nicht nur meine Lego-Schätze, sondern auch meine alte Liebe zu ihnen wieder.“ Auf der Suche nach zusätzlichen Waggons stellte er dann überrascht fest, wie teuer manche Artikel inzwischen gehandelt wurden. „Da ich die Loks in den Zug-Sets nicht haben wollte, verkaufte ich sie separat und erzielte damit gute Einnahmen.“ Mit dem Geld finanzierte er weitere Baukästen, erweiterte sein Wissen und Sortiment und meldete 2018 ein Gewerbe an.
Neben dem Geschäft mit den EOL-Sets bietet er in der Eisenbahnsparte auch Umbauten und Zubehör an, konstruiert eigene MOC-Bauwerke („my own creation“) und handelt mit Mini-Figuren von Lego. Von denen kommen zwei bis drei Serien pro Jahr auf den Markt, die jeweils nur für sechs Monate produziert werden und daher bei Sammlern heiß begehrt sind.
Aber nicht jede Figur oder Bausteinset ist auch investment-tauglich. Es sind besonders die wertvoll, die sich durch Exklusivität, Alter oder thematische Besonderheiten auszeichnen. Vor allem Lizenz-Kooperationen mit Disney und Star Wars, Themenwelten wie Ritterburgen und Modularhäuser mit großem Spielewert sowie Sets mit Ausstellungspotenzial wie Lego Architecture können lukrative Anlagemöglichkeiten bieten. „Einsteiger ins Lego-Invest können gut erste Erfahrungen mit der Auto-Reihe ‚Speed Champions‘ machen“, sagt Jatzlauk. Laut www.brickmerge.de liegt der Preis des 1985 Audi Sport quattro S1 aktuell um 40 Euro, ursprünglicher Neupreis war zwölf Euro.
Auch Gebrauchtware kann einiges wert sein und der Blick ins (ehemalige) Kinderzimmer, in den Keller oder auf den Dachboden lohnen. „Um Bestpreise zu erzielen, sollten im Optimalfall Originalkarton, Bauanleitung und die Polybeutel dabei sein“, empfiehlt der Lego-Experte. Und wer Tüten voll mit ausgespielten Noppensteinen loswerden will, kann mindestens zehn Euro pro Kilo aufrufen, denn anders als bei Aktien behalten die bunten Kunststoffsteine ihren Spielewert über Generationen.