Immer weniger Kinder reiten. Verliert der Sport seinen Charme?

Norderstedt Für viele Kinder, vor allem für Mädchen, ist es das Größte, auf dem Rücken eines Ponys oder Pferdes Reiten zu lernen – möchte man meinen. Doch die Zahlen des Pferdesportverbandes Schleswig-Holstein zeigen das Gegenteil. Waren 2018 noch 12742 Mitglieder unter 18 Jahren in 350 Reitvereinen registriert, sind es fünf Jahre später nur noch 10942 – ein Minus von 1800 minderjährigen Reiterinnen und Reitern.

Einen Grund sieht Patrick Hansen im rasanten Kosten- und Preisanstieg. „Der Reitsport ist zu einer elitären Sportart geworden. Die Betriebe sind gezwungen, die Preise für Reitstunden immer wieder zu erhöhen, weil auch ihre Ausgaben ständig steigen.“ So sind mit der neuen Gebührenordnung für Tierärzte im November 2022 Behandlungskosten um rund 30 Prozent nach oben gegangen. Auch die Kosten für Schmied, Futter, Personal und Versicherungen werden seit Jahren immer teurer.

„Unser Reitschulbetrieb trägt sich einfach nicht mehr“, erklärt Sabine Borm-Bade vom Hof Nordpol in Norderstedt. Aus diesem Grund, und weil das Rentenalter naht, wird es ab dem 1. Oktober keinen Reitunterricht mehr auf der Anlage in der Poppenbütteler Straße geben. Fast alle Schulpferde sind bereits verkauft.

Reiten ist ein teurer Sport. 50 Euro kostet beispielsweise eine Einzelstunde an der Pony-Akademie Hasloh (Garstedter Weg 2, Hasloh), für wöchentliches Reiten in der Gruppe verlangt der Reiterhof am Appelsinaschloss (Jägerstraße 3, Norderstedt) 125 Euro pro Monat. Das müssen sich Eltern für ihren Nachwuchs leisten können. Doch will der das auch?

„Manchmal frage ich mich, warum das Kind auf dem Pony nicht strahlt“, sagt Petra Bühring vom Hof Bühring in Alveslohe. Ihre Erklärung: „Reiten ist nur eines von vielen Hobbys, mit denen der Terminplan des Nachwuchses jede Woche vollgestopft ist. Schon bei der Anmeldung heißt es etwa: ,Montag, Mittwoch und Donnerstag passen nicht, da sind Gitarren,- Tanz- und Judounterricht. Und Freitag geht es nur von16 bis 17 Uhr.‘“

Neben der ohnehin langen Ganztagsschule seien die Kinder total verplant. „Knapp vor Beginn der Reitstunde werden sie schnell vorbeigebracht und fünf Minuten vor Ende stehen die Eltern bereits mit laufendem Motor vor der Reithalle. Wie sollen Kinder in dem Stress noch Freude empfinden?“

Früher verbrachten vor allem Mädchen ganze Nachmittage im Stall, halfen freiwillig beim Ausmisten, Putzen und Versorgen der Ponys und Pferde. „Die Zeit haben viele nicht mehr, doch wer möchte, kann auch heute noch auf unserem Hof seine Hausaufgaben machen“, bietet Dörte Korff von Fortys Farm in Tangstedt an. „Bei uns geht es ohnehin nicht primär ums Reiten, sondern um die Schulung von Sozialkompetenz und darum, das Tier als Partner zu begreifen und mit ihm Spaß zu haben – das ist viel wichtiger, als von A nach B zu reiten.“

Über Jahrzehnte hätten sich die körperlichen und motorischen Fähigkeiten der Sprösslinge verändert. „Die iPad-Sofa-Kinder von heute sind oft unbeweglicher und steifer und schneller gefrustet, wenn etwas nicht gleich klappt.“ Und Josephina Emonds, die die Reitschule künftig übernehmen wird, ergänzt: „Das Öffnen und Schließen von Schnallen am Zaumzeug bereitet häufig Probleme. Das sind eben keine gewohnten Klettverschlüsse.“ Zudem hätten viele Kinder wenig Bezug zur Natur und seien ängstlicher als früher, was oftmals von den Eltern herrühre, die ihre Kleinen nicht ohne Sicherheitsweste in den Sattel lassen.

Bei der ganzheitlichen Schulung sind auf Fortys Farm die Ponys die Therapeuten. „Wir nutzen unsere Vierbeiner als ‚Medium‘ und machen den Kindern Mut, mit ihrer Hilfe den eigenen Körper zu fühlen und neue Fähigkeiten zu erlernen. Es ist großartig, sie in ihrer Entwicklung zu begleiten und zu erleben, wie ihr Selbstbewusstsein zunehmend wächst“, freut sich Dörte Korff.

Bei ihr liegt der Monatsbeitrag für den Gruppenunterricht bei 60 Euro. „Ich möchte, dass sich alle Familien leisten können, den Traum ihrer Kinder zu erfüllen, auch wenn ich mit den Preisen gerade so über die Runden komme. Doch durch gesunde Tierhaltung haben wir weniger Tierarztkosten, unsere Ponys sind nicht überlastet und werden vielfältig bewegt, zudem bin ich unserem Verpächter sehr dankbar für moderate Pacht- und Heukosten.“